Schritte. Produktiv durch kleine Schritte?

Shownotes

Spaziergang 23: Schritte. Produktiv durch kleine Schritte?

Hallo und herzlich willkommen an diesem schönen Morgen hier im Westerwald. Schön, dass du wieder mit Paolo und mir spazieren gehst. Heute möchte ich dir im Grunde erzählen, warum wir hier spazieren gehen, was das mit Prozessen und Zielen zu tun hat und wieso ich das so ein unglaublich wichtiges Thema finde.

Ja, wir gehen jetzt hier seit 23 Tagen zusammen spazieren. Ich habe mir ja mal vorgenommen, mindestens 100 Tage das zu machen. Und ich muss sagen, bis jetzt gefällt es mir ausgesprochen gut und ich freue mich schon jeden Tag auf diesen Spaziergang. Und das war bis vor… Ja, bis vor 24 Tagen noch ganz anders.

Ich hatte immer geplant, dass ich gerne einen Podcast machen will. Einfach, weil ich dachte, das macht mir Spaß. Und ich dachte, hey, wenn du mal irgendwas erreichen willst, dann lernen die Leute dich schon mal kennen. Wenn du ganz viele Follower hast, ganz viele Hörer, kannst du deine Themen vermarkten. Und ich hatte immer ein Ziel vor Augen.

Also, wenn ich tausend Leute habe, die meinen Podcast hören. Wenn ich zehntausend Leute habe, die meinen Podcast hören. Und weißt du was? Ich habe das mit dem Podcast nie gemacht. Weil ich immer mir Sorgen gemacht habe. Gefällt denen das dann? Ist das genau das Richtige? Kriege ich auf dem Weg wirklich so viele Leute, die das hören?

Wie muss ich meine Technik perfekt einstellen? Ja, und dann habe ich das Buch "Tiny Experiments" von Anne-Laure Le Cunff gehört, was ich dir übrigens extrem empfehlen kann und auch natürlich unten in den Show Notes reinmache. Und am gleichen Tag habe ich die Podcast-Sachen mir bestellt, am nächsten Tag bekommen, meine mobilen Podcast-Sachen nämlich.

Und vielleicht erinnerst du dich noch bei der ersten Folge, da war es noch das falsche Mikro, aber ich habe trotzdem angefangen. Ich habe mich nicht mehr abhalten lassen. Und was erzählt die gute Frau in dem Buch? Dass es im Leben nicht um die großen Ziele gehen sollte, oder dass das, was man sich setzt, nicht die Ziele sein sollten, die groß sind und wichtig und das Leben verändern, sondern dass man am Ende viel mehr erreicht, wenn man prozessorientiert denkt und das Ganze als einen Weg sieht.

Nicht so sehr mit "der Weg ist das Ziel", weil das Ziel ist ja schon was anderes, aber gar nicht groß über das weite große Ziel nachdenken. Und mich hat das ja auch total behindert in dem, was ich eigentlich machen wollte. Und ich hätte schon seit Monaten, wahrscheinlich seit Jahren, meinen Spaß mit Podcasts haben können, wenn ich einfach mal gemacht hätte, ohne drüber nachzudenken, was da alles so wichtig ist, um dieses Ziel zu erreichen.

Ich glaube, du weißt ja schon, dass ich einen gewissen Faible für die Altsteinzeit habe und mir immer versuche zu erklären, wie der Mensch von Natur aus ist, auf Basis dessen, was man über die Altsteinzeit weiß. Und heute ist es wieder so ein bisschen eine Folge in diese Richtung, tatsächlich. Aber es ist nicht mal nur die Altsteinzeit, auch die Jungsteinzeit und die ganze spätere Zeit, hier in Europa, Mitteleuropa bis ins Mittelalter hinein waren die Menschen eigentlich mit ihrer täglichen Arbeit beschäftigt.

Wenn ich zum Beispiel in der Steinzeit was gemacht habe, dann hat das häufig eine ganze Zeit gedauert. Wenn ich so Perlen gemacht habe oder Steinmesser, dann war das schon Arbeit. Aber es war nicht die Arbeit für ein großes Ziel. Ich glaube, in der Steinzeit gab es nicht das eine große Ziel. Wofür auch?

Die Menschen hatten keinen Besitz im klassischen Sinne. Sie waren nicht mal fest an eine Gruppe per se gebunden. Man kannte sich, es gab viele Gruppen, die sich immer mal wieder getroffen haben, wahrscheinlich. Soweit man sich das in der Forschung schon denkt. Das heißt, ich war weder an einen spezifischen hohen Status in einer Gruppe gebunden, ich hatte meine Autonomie, ich hatte meine Freiheit. Man hilft sich gegenseitig und ich habe auch kein Land, was ich besitze, keine großen anderen Besitztümer.

Das heißt, es gab überhaupt nichts, was ich erreichen hätte können, außer meine Freundschaft mit den Menschen um mich herum, mein gutes Auskommen und das, was ich eben mit meinen eigenen Händen in meinem täglichen Tun mache. Das war alles. In dem Sinne prozessorientiert. Und wenn ich gemerkt habe, dass was auf eine gewisse Art besser geht, dann werde ich es wahrscheinlich am nächsten Tag wieder machen.

Und wenn es wieder besser geht, dann mache ich es wieder auf eine andere Art. Das heißt, dass wir uns plötzlich große Ziele stecken. Das hat wahrscheinlich in dem Moment angefangen, dass ich so was wie Besitz anhäufen kann. Ui ui ui, da kommt jetzt vielleicht der Philosoph in mir durch. Aber tatsächlich, in dem Moment, dass ich Besitz habe, anhäufen kann oder Macht anhäufen kann oder irgendetwas Ähnliches, erst dann kann ich mir ja, oder macht es überhaupt Sinn, mir größere Ziele zu stecken, wenn ich das überhaupt nicht kann.

Ich kann weder Land noch Besitz noch Gold noch irgendwas anhäufen, weil es einfach gar nicht existiert, noch irgendwie die Macht erringen in einer großen Gruppe, über sie herrschen. Das gab es alles gar nicht. Das heißt, in den paar… Millionen Jahren? Er ist recht… seit der Homo sapiens besteht, habe ich ja schon mal erzählt, 300.000 Jahre, 40.000 hier in Europa, gab es das nicht.

Und ja, wir Menschen sind also eher so für das Prozessorientierte. Tägliche kleine Stückchen vorankommen, kleine Innovationen immer wieder, die Steinmesser hat man immer wieder geschlagen. Und im Laufe der Jahrtausende hat man das immer besser getan. Faszinierende Klingen, die da entstanden sind zum Beispiel.

Und was bedeutet das denn für uns Menschen heute? Ich glaube, dass man in der wissenschaftlichen Forschung da schon unglaublich viel zu gemacht hat. Und ich habe das mal für dich rausgesucht. Denn ein Konzept gefällt mir besonders. Das ist das Growth Mindset. Dieses Growth Mindset besagt, dass wenn wir eben iterativ Dinge tun und immer wieder lernen möchten…

Uns verbessern möchten, daran glauben, dass wir uns verbessern können, immer wieder Vertrauen und Zuvertrauen in uns haben, wir immer besser werden. Statt dass wir, vielleicht merkst du die Parallele zu mir und meinem Podcast, statt dass wir uns etwas Spezifisches vorstellen und denken, nur dann sind wir gut.

Das ist dann eben das Gegenteil. Ich glaube, es hieß Fixed Mindset, ich weiß es gar nicht mehr genau. Aber es ist einfach die Idee, das muss ich erreichen. Und wenn ich das nicht, am besten direkt erreiche, dann bin ich nicht gut genug. Und dann bringt auch alles Üben nichts, dann erreiche ich es ja eh nicht.

Und ja, wie gesagt, ich glaube, dass das im Menschen gar nicht so typisch ist, aber witzigerweise heute extrem viel vorkommt. Ich dachte wirklich, ja, ich muss das machen. Und dann muss ich mit meinem Podcast sofort irgendwie, keine Ahnung, der muss sofort von ganz vielen Leuten gehört werden, weil nur dann bin ich gut.

Und dann habe ich es einfach gar nicht gemacht. Ich war total blockiert.

Und stattdessen jetzt mit dem, wie man so schön Growth Mindset nennt, freue ich mich, dass du hier mit mir läufst, dir meine Geschichten, meine Wissensteile, meine Inspirationsteile, meine Physiologie-Teile anhörst und mein einziges Ziel ist, dass es auf der einen Seite mir Spaß macht, ich das Gefühl habe, dass ich auch vorankomme für mich, aber dass ich auch das Gefühl habe, dass ich dir was mitgebe, denn was auch immer du damit machst…

Ist ja am Ende deine Sache und ich finde es total schön, von dir zu hören und ja, auch dein Feedback von unseren Spaziergängen zu bekommen. Jetzt fängt es ein bisschen an zu regnen, hörst du es? Tropft auf die Blätter. Ja, ich freue mich, dein Feedback zu bekommen dazu, was ich in vielleicht kleinen Schritten noch besser machen kann, denn ich mag es, ich liebe es, dich zu inspirieren.

Und trotzdem wird es immer etwas bleiben, was mir Spaß machen soll. Das heißt, ich werde in keine Richtung gehen, in der ich nicht Spaß und Freude dabei habe. Denn das ist einfach etwas, was, glaube ich, unglaublich wichtig bei diesem Prozess ist, wenn wir Prozesse gehen, dass jeder noch so kleine Schritt einem eine Form von Freude bringen sollte. Es ist vielleicht anstrengend oder manchmal auch schwierig, diese kleinen Schritte dann doch zu gehen.

Aber es sollte mit Freude verbunden sein. Und, das finde ich auch interessant, es sollte trotzdem mit einer Art von übergeordnetem Ziel verbunden sein. Jetzt kommt das Wort doch wieder, das mit den Zielen. Aber nicht mit dem konkreten Ziel. Ich will tausend Hörer, zehntausend Hörer, whatever, ich will das, keine Ahnung. Ey, ganz ehrlich, wenn ich mal eine Physiopraxis habe und plötzlich 10.000 Leute vor meiner Praxis stehen, dann habe ich ein ganz schönes Problem.

Nein, tatsächlich, es geht nicht um größer und besser und noch mehr, sondern mein Ziel dabei, und das habe ich heute Morgen auch nochmal ganz deutlich reflektiert, als ich die ganzen wissenschaftlichen Sachen durchgelesen habe, ist tatsächlich in meiner Purpose. Weil ich einfach gerne inspiriere. Und weil es für mich von Herzen schön ist, zu erleben, wenn jemand mit dieser Inspiration sein Leben, vielleicht auch nur ein ganz kleines, ganz mini-mini-mini-kleines bisschen besser leben kann.

Und deshalb bin ich total glücklich, dass mir jemand hier geschrieben hat, dass meine Folge, die… "Nein… Nee? Siehst! Nein?" Ja, genau, siehst du! Nein. Nämlich nee heb je, ja kan je krijgen. Also: Nein hast du sowieso schon, ja kannst du bekommen. Das war irgendwann, ich glaube, vorletzte Woche. Und er hat mir geschrieben, dass ihn das motiviert hat, ein Gespräch anzugehen, was er sonst wahrscheinlich vermieden hätte.

Und dass dieses Gespräch unglaublich positiv lief, völlig gegenüber seiner vorherigen Annahme und es tatsächlich so war. Nein hatte er eh schon und er dachte, okay, dann spreche ich das jetzt an. Und er hat Ja bekommen und sogar noch viel tiefer als das, denn es war ein persönliches Gespräch und gerade in persönlichen Kontakten kann so was ja unglaublich viel bewirken.

Und das ist… Ja, ich glaube, das ist, wofür ich das Ganze mache. Das ist mein übergeordnetes Ziel, dass es eben in meine Purpose passt, in das, was ich gerne machen will. Das heißt, ja, Ziele gibt es schon, aber es sind nicht Ziele, die ich in konkrete Zahlen fassen kann oder Ziele, die ein ganz konkretes Enddatum haben, dieses typische SMART.

Ja, SMART-Ziele sind cool, aber wenn sie uns davor abhalten, überhaupt zu starten, weil das so groß und so weit weg ist, dass wir sowieso nicht wissen, wie wir das erreichen sollen. Plötzlich 10.000 Menschen, die das hören und irgendein Produkt kaufen, oh mein Gott, dann muss es ja perfekt sein. Nein, es geht nicht um Perfektion ismus und das merkst du ja jetzt auch hier.

Ich laufe einfach gemütlich mit dir durch den Wald, ich genieße jeden Schritt, ich genieße jeden, ja. Jeden Moment hier und einfach mit dir laufen zu dürfen, dich vielleicht inspirieren zu dürfen. Genau, also Prozess ist meiner Meinung nach urmenschlich, prozessuales Denken und Arbeiten und in kleinen Schritten vorankommen.

Das Growth Mindset ist die Schlüsselkraft der Menschen, wie er sich über so viele Jahrtausende entwickelt, in einer völlig unwirtlichen Welt hier in der Eiszeit in Europa behauptet hat, wie er Sachen gemeistert hat, wo wir uns heute nicht mal mehr vorstellen können, wie er das geschafft hat. Und alles durch ganz, ganz kleine, iterative Schritte über Jahrhunderte, über Jahrtausende, über viele Menschenleben und Generationen hinweg.

Und ja, wir können sogar so eine Art Flow-Zustand erreichen, wir Menschen, wenn wir das Stück für Stück tun. Das heißt, ich fliege jetzt hier gemütlich durch den Wald mit dir. Ja, das ist mein Wissensteil, vielleicht auch kombiniert mit ein bisschen Inspiration. Und die Frage an dich ist dann natürlich, wann hast du mal erlebt, dass ein großes Ziel dich blockiert hat?

Und vielleicht kommt dir dann auch in den Sinn, was du stattdessen anders hättest tun können. Oder dir fällt eine Situation ein, wo du gerade durch dieses iterative, dieses ganz kleine prozessorientierte Arbeiten eben gerade vorangekommen bist. Also je nachdem, was dir einfällt, ob du eher ein Mensch bist, der eben diese Blockade schon erlebt hat von einem großen Ziel, was man denkt unbedingt erreichen zu müssen und dann doch nicht erreicht, weil man gar nicht anfängt, so wie ich mit meinem Podcast die letzten Wochen und Monate und Jahre.

Oder eben vielleicht bist du schon auf dem Prozess, in der Prozessrichtung und stellst das jetzt für dich fest und merkst, hey, ja, ja, das mache ich die ganze Zeit schon und das geht auch richtig gut bei mir. Wo auch immer du auf deiner Reise stehst, ich hoffe, diese Frage hilft dir ein Stück, ein ganz kleines Stück weiter voranzukommen.

Und ich würde mich sehr, sehr, sehr freuen, wenn du mir schreibst oder mich anrufst oder was auch immer du möchtest und mir dein ganz persönliches Feedback gibst. Denn… Ja, ich laufe meinen Weg, aber mein Weg wird noch schöner, ihn mit dir zu laufen.

Literatur:

Le Cunff, A.-L. (2025). Tiny experiments: How to live freely in a goal-obsessed world. Avery/Penguin Random House

Brandstätter, V., Schüler, J., Puca, R. M., & Baumann, N. (2013). Die „Action Crisis“ im Zielstreben und ihre Bedeutung für die psychische Gesundheit. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 21(1), 1–11.

Dweck, C. S. (1999). Self-Theories: Their role in motivation, personality, and development. Psychology Press.

Dweck, C. S., & Leggett, E. L. (1988). A social-cognitive approach to motivation and personality. Psychological Review, 95(2), 256–273.

Locke, E. A. (1996). Motivation through conscious goal setting. Applied and Preventive Psychology, 5(2), 117–123.

Massimini, F., Csikszentmihalyi, M., & Carli, M. (1987). The measurement of flow in daily experience: Some methodological problems and a preliminary research. Social Indicators Research, 19(4), 499–515.

Ryan, R. M., & Deci, E. L. (2000). Intrinsic and extrinsic motivations: Classic definitions and new directions. Contemporary Educational Psychology, 25(1), 54–67.

Schwartz, J., & Weinberger, J. (2020). The relationship between perfectionism, goal orientation, and burnout in a sample of university students and teachers. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 68(1), 1–10.

Disclaimer:

Dieser Podcast ist ein virtueller Spaziergang und dient ausschließlich der Information und Inspiration. Die Inhalte stellen keine Psychotherapie, kein Coaching und keine professionelle Beratung dar und ersetzen diese auch nicht.

Alle hier formulierten Aussagen sind wissenschaftlich recherchiert. Die entsprechenden Referenzen und Quellen findest du im Anhang der Show Notes zu dieser Folge.

Ich übernehme keine Verantwortung für die Richtigkeit der wissenschaftlichen Aussagen oder deren Anwendung. Die Inhalte dieses Podcasts sind nicht als Anleitung zu verstehen, etwas Bestimmtes zu tun, sondern dienen rein der Inspiration und Anregung zum Nachdenken.

Bei gesundheitlichen oder psychischen Problemen wende dich bitte an entsprechende Fachkräfte oder Beratungsstellen.

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