Nein sagen. Nein auch wenn andere mich dann nicht mögen?
Shownotes
Spaziergang 26. Nein sagen. Nein auch wenn andere mich dann nicht mögen?
Hallo und herzlich willkommen zu unserem Samstagsspaziergang, heute wieder hier im Westerwald gemeinsam. Schön, dass du dabei bist. Heute ist Samstag und da gibt es wieder ein Inspirations- oder Erfahrungsthema. Das heißt, nicht das typische wissenschaftliche gebackte Thema, was es unter der Woche gibt als Wissensthema, sondern etwas aus meiner eigenen Erfahrung.
Wir hatten ja schon vor zwei Wochen über das Thema „Nein, hast du" und „ja, kannst du bekommen" gesprochen. Eine niederländische Lebensweisheit, die mir sehr viel bedeutet hat. Und letzte Woche haben wir uns über das Thema Nein hören unterhalten. Was passiert vielleicht in mir, wenn ich das Wort Nein von jemandem höre? Was passiert in dir? Wie gehst du damit um? Und was sind so meine Erfahrungen damit?
Und heute soll es dann ganz konsequent weitergehen mit dem Thema Nein sagen. Ich hatte da letzte Woche ein unglaublich interessantes Gespräch drüber und deshalb ist es mir auch besonders wichtig, dass ich diese Folge heute aufnehme und wir hier gemeinsam laufen.
Nein sagen ist für viele Menschen sehr schwer. Ich gebe zu, manchmal ist es für mich auch schwer. Für mich ist Nein sagen einfacher als Nein hören, gebe ich ganz ehrlich zu. Ich bin jemand, der schon immer relativ wenig Probleme mit dem Nein sagen hatte. Deshalb werde ich versuchen, zumindest so gut wie möglich, das aus meiner Warte dir zu erzählen. Vielleicht hilft dir meine Herangehensweise ans Nein sagen, wenn es dir selber schwerfällt.
Wenn ich ans Nein sagen denke, dann fällt mir als erstes die ganz krasse Situation ein, als ich gerade früher als Studentin in Aachen unterwegs war und wir nachts auf der Straße von Leuten angequatscht wurden oder man in der Disco ist oder auch einfach mit Freunden oder selbst mit einer einzelnen Person irgendwo und plötzlich passiert etwas, was einem nicht recht ist. Vielleicht sieht man es schon ankommen, vielleicht auch nicht.
Und ich glaube, dass es nichts Wichtigeres gibt, als da konsequent Nein zu sagen. Und ich fürchte, da gibt es auch wenig Tipps oder Tricks als einfach: Du darfst das. In jeder Situation, in der du dich unwohl fühlst, in der du glaubst, dass deine Gesundheit – egal ob mental oder körperlich – irgendwie in Gefahr ist, dann darfst du immer Nein sagen.
Du darfst sowieso immer Nein sagen, aber erst recht in dieser Situation. Ich hoffe, dass es dir bewusst wird, dass du Nein sagen darfst. Und mein Tipp ist: Sag das, wenn es irgendwie geht, so ruhig, so deutlich und so tief im Ton wie nur möglich. Das wirkt häufig für die Leute deutlicher.
Ich glaube, viel mehr kann ich dazu auch gar nicht sagen. Es ist essentiell wichtig, überlebenswichtig. Wir haben über Alltagsstress gesprochen. Das ist auch so eine Situation, in der natürlich der Stress massiv hochgeht. Aber dieses Hochgehen des Stresses ist auch ein ganz klares Zeichen für dich, dass es hier eine Gefahrensituation ist und du ganz, ganz klar Nein sagen solltest. Nicht nur nein, sondern auch „ich möchte nicht", „ich will nicht" und dich auch wehren sollst, auf jeden Fall.
Und das ist die vielleicht klarste und einfachste Situation für das Thema Nein, denn da gibt es auch keine andere Antwort. Wenn du dich nicht wohlfühlst, wenn du dich bedroht fühlst, dann musst du mit Nein meiner Meinung nach reagieren und ganz klar machen, dass es für dich hier nicht weitergeht.
Die anderen zwei Situationen, die mir einfallen zum Thema Nein sagen, sind da mit Sicherheit komplexer. Und ich schaue mal, ob ich alle drei heute auch wirklich besprechen werde oder ob wir uns eins für nächste Woche aufheben. Die anderen beiden sind nämlich das überlegte Nein. Das heißt, eine Situation, in der du Zeit hast zum Nachdenken, Zeit hast, vielleicht zu reflektieren mit anderen Leuten, aber auf jeden Fall ganz klar deine Situation überblicken kannst und dann zu einem Zeitpunkt, zu dem es dir passt, dieses Nein äußern kannst.
Egal, ob das per E-Mail ist oder persönlich oder in welcher Art auch immer. Es geht auch gar nicht unbedingt darum, ob das jetzt im beruflichen Kontext ist oder privat. Wichtig dabei ist: Du kannst darüber nachdenken.
Die andere Situation ist die, mit der man im Gespräch ist, vielleicht in einer Diskussion ist oder ähnliches und gar nicht die Zeit hat, da groß drüber nachzudenken. Die werde ich mir für hinten aufheben und auch vielleicht für nächste Woche mal schauen.
Jetzt zu dem Anliegen, bei dem du drüber nachdenken kannst. Und was mir da ganz besonders aufgefallen ist in vielen Gesprächen mit Menschen und auch in der Reflexion mit mir selber, ist die Idee: Was denken denn die anderen, wenn ich jetzt Nein sage? Oder was passiert denn vielleicht Schlimmes, wenn ich jetzt Nein sage?
Kennst du die Fragen vielleicht? Hast du dir auch schon mal überlegt: Eigentlich will ich das gar nicht, aber vielleicht verliere ich dann eine Freundschaft, vielleicht verliere ich dann den Arbeitsplatz, vielleicht verliere ich was auch immer.
Ich glaube, das ist ein Punkt, in dem ich dir nur raten kann: Hör auf dich selber. Wenn du etwas nicht möchtest, dann solltest du nur schauen, warum möchte ich das nicht.
Und so brutal das im ersten Moment klingt, aber du bist für dich wichtig. Ich bin immer der Meinung, man sollte gutes Teamwork machen. Aber nichtsdestotrotz solltest du für deine Bedürfnisse und deine eigene Situation einstehen. Denn am Ende kann das kein anderer.
Das ist auch nicht egoistisch meiner Meinung nach, sondern extrem wichtig.
Was aber dabei essentiell ist, ist das, was ich gerade schon sagte, dass du dir bewusst wirst, warum du das nicht möchtest. Vielleicht ist das ein Teil in dir, der gerade ganz laut schreit: „Das will ich nicht, das will ich nicht." Und vielleicht gibt es andere Teile in dir, die eine andere Meinung haben. Und ich glaube, dass es dann wichtig ist, wenn man eben die Zeit hat, dass man sich die verschiedenen Meinungen in sich anhört.
Wir Menschen haben häufig verschiedene Teile oder Anteile und diese Teile haben durchaus verschiedene Meinungen. Und nur weil einer gerade besonders laut schreit, heißt das nicht, dass das die Meinung des gesamten Systems ist, des Systems Mensch.
Und das ist, glaube ich, wichtig. Nicht die Frage: Was denken die da draußen oder welche schrecklichen Konsequenzen könnte es haben? Du siehst, ich rede hier im Konjunktiv: könnte haben. Insbesondere dann, wenn das noch gar nicht klar ist, dass das die Konsequenz haben wird.
Es ist dein Schritt, du gehst den. So wie du eine Frage stellst und ein Ja oder ein Nein kriegen kannst, so kannst du das Statement machen, dass es für dich Nein ist.
Vielleicht hat dich auch jemand anders gefragt. Vielleicht ist es für den gar nicht so eine entscheidende Frage. Sondern nur so eine: Nö, hab ich schon. Ja, kann ich kriegen. Und vielleicht ist es nur in deinen Augen in diesem Moment so schrecklich, demjenigen Nein zu sagen.
Sieh das als das, was da ist, finde ich. Das, was da ist in deinem System, wenn du alle Stimmen angehört hast und zu einer Überlegung gekommen bist, die sagt: Hey, in mir bin ich für Nein. Dann sag das auch.
Und was der andere damit macht, das ist seine Sache. Und wenn der andere dann sauer auf dich ist, dann ist das erstmal seine Sache. Und selbst wenn der Chef dich daraufhin rausschmeißt, aber es war eine gut überlegte Antwort von dir, dann ist das zwar in zweiter Konsequenz deine Sache, aber in erster Konsequenz erst mal seine.
Denn jetzt muss er erst mal überlegen, wie er darauf reagiert auf dein Nein. Und wie er darauf reagiert oder wie sie darauf reagiert, ist gar nicht festgelegt in den meisten Fällen.
Wir Menschen, habe ich die Erfahrung gemacht, neigen dazu, die Dinge zu dramatisieren. Erst mal zu denken, dass das Schlimmstmögliche kommt. Und ganz ehrlich, in der Urzeit war das teilweise auch tatsächlich sinnvoll. Jetzt sind wir wieder bei der Steinzeit. Aber in unserer Zeit, in der ganz, ganz viel um uns herum passiert, ist es nicht mehr so, dass wir sterben, wenn wir aus der Gruppe ausgeschlossen werden. Vielleicht haben wir mehrere Freundschaftsgruppen.
Wir werden nicht in die Tundra ausgesetzt und haben plötzlich kein Zelt mehr über dem Kopf. Wir haben auch in unserer Welt Sozialsysteme und wir haben Anwälte und wir haben ganz viel anderes.
Nein sagen ist okay. Nein sagen ist wirklich okay. Und das, was zählt, ist, wie du dich fühlst. Nicht so sehr, welche Konsequenz kommen könnte. Dafür ist es ein Konjunktiv, eine Möglichkeit. Aber es steht überhaupt nicht fest.
Nur das, was du in dir selber mit deinen verschiedenen Teilen spürst und erlebst und für dich klar machst. Wenn das Nein ist, dann ist das Nein. Und dann denk auch nicht über die anderen nach in dem Moment.
Ich hoffe, dass ich, obwohl ich mich hier ein paar Mal wiederholt habe, das Ganze deutlich gemacht habe. Es ist mir einfach unglaublich wichtig, denn ich erlebe ganz, ganz viele Menschen um mich herum, die zweifeln beim Nein sagen. Und ganz viel an die anderen Menschen und an die Konsequenzen denken, statt an sich.
Und das ist nicht egoistisch. Sag Nein, wenn du etwas nicht möchtest.
Jetzt verschiebe ich tatsächlich den anderen Punkt mit dem Nein in Gesprächen und Diskussionen auf nächste Woche. Denn ich glaube, da gibt es eine ganze Menge zu sich anzuschauen und eine ganze Menge Techniken auch, mit denen man umgehen kann, um dann nicht sofort spontan Nein sagen zu müssen, sondern sich ein bisschen Zeit zu erkaufen. Und die möchte ich dir gerne alle erklären.
Daher jetzt die Frage des Tages. Und die Frage ist: Wann hast du schon mal Nein gesagt und das Ergebnis hat dich positiv überrascht? Du hast dich getraut, du hast Nein gesagt, du warst klar in deiner Antwort und die Menschen rundherum haben auf eine Art und Weise positiv reagiert, die du gar nicht erwartet hättest.
Zum Beispiel haben sie dich gelobt, waren sie glücklich darüber, dass du Nein gesagt hast. Oder sie haben viel weniger kritisch reagiert oder die Welt ist nicht untergegangen oder was auch immer dir dazu einfällt. Aber die wichtige Sache ist: Wann in deinem Leben hast du die Situation erlebt, dass du ganz klar Nein gesagt hast und es war für dich ein positives Erlebnis?
Damit verabschiede ich mich für heute. Ich wünsche dir noch einen wunderschönen Spaziergang. Ich freue mich darauf, dich morgen wiederzusehen. Mach's gut!
Disclaimer:
Dieser Podcast ist ein virtueller Spaziergang und dient ausschließlich der Information und Inspiration. Die Inhalte stellen keine Psychotherapie, kein Coaching und keine professionelle Beratung dar und ersetzen diese auch nicht.
Alle hier formulierten Aussagen sind wissenschaftlich recherchiert. Die entsprechenden Referenzen und Quellen findest du im Anhang der Show Notes zu dieser Folge.
Ich übernehme keine Verantwortung für die Richtigkeit der wissenschaftlichen Aussagen oder deren Anwendung. Die Inhalte dieses Podcasts sind nicht als Anleitung zu verstehen, etwas Bestimmtes zu tun, sondern dienen rein der Inspiration und Anregung zum Nachdenken.
Bei gesundheitlichen oder psychischen Problemen wende dich bitte an entsprechende Fachkräfte oder Beratungsstellen.
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