Gut. Sind wir Menschen im Grunde gut?

Shownotes

Spaziergang 26: Gut. Sind wir Menschen im Grunde gut?

Hallo und herzlich willkommen an diesem wundervollen Sonntagmorgen hier im Westerwald. Schön, dass du wieder dabei bist auf diesem Spaziergang hier mit mir und meinem Hund Paolo. Wir laufen hier durch noch nebelnasse Wiesen und ich finde es unglaublich schön, dass es wieder Sonntag ist, weil Sonntag bedeutet, dass wir über Philosophie sprechen, hier in unserem Infoteil dieses Spaziergangs.

Und heute geht es um ein Thema, was uns alle als Menschen von Grund auf betrifft. Es ist die Frage, ob der Mensch von Grund auf, vom tiefsten seines Herzens, von seiner tiefsten Natur - hallo Paolo, da kommt er vorbei - ob der Mensch aus dem tiefsten seines Herzens gut ist oder ob er schlecht ist. Ob der Mensch von Grund auf von dem, was wir heute an Kriegen erleben, an Morden, an anderen schrecklichen Dingen, die wir überall in den Nachrichten hören können, ob er davon abgehalten werden muss, noch viel schlimmer zu sein und ob unsere Gesetze, unsere Staaten, unsere ganzen Institutionen alle dazu dienen, den Menschen ein wenig zu zivilisieren, ein wenig davon abzuhalten, sich gegenseitig umzubringen.

Oder ob der Mensch von Natur aus gut war und erst die Zivilisation, das Privateigentum und all diese Dinge, dass Menschen Land besessen haben, all das dazu geführt hat, dass der Mensch angefangen hat, schlechte Dinge zu tun.

Jetzt glaube ich, dass man diese Frage nicht ganz endgültig beantworten kann, denn mit Sicherheit haben auch schon in der Urzeit mal der eine oder andere Mord stattgefunden. Egal zu welcher Zeit, gab es immer Situationen, in denen ein Mensch mit Sicherheit auch mal etwas Schlechtes getan hat.

Aber die Frage ist, ob wir wirklich von Grund auf, von der Natur aller Menschen, ob die gut oder ob die schlecht ist. Und es gibt da zwei Philosophen, zwei Staatstheoretiker, die ganz unterschiedliche Meinungen haben. Unterschiedlicher geht gar nicht. Der eine, Thomas Hobbes, ein Brite - die beiden lebten übrigens in der frühen Neuzeit.

Dieser Brite, Thomas Hobbes, war der Meinung, dass der Mensch von Grund auf schlecht ist. Dass der Mensch dazu neigt, nur nach sich selbst zu schauen, sich um seine eigenen Interessen nur zu kümmern, dass er bereit ist, schlimme Dinge, Morde, Kriege und alles andere zu tun, um nur seine eigenen privaten, persönlichen Interessen und Gelüste zu befriedigen. Und dass es sozusagen einen starken Staat, einen starken Herrscher braucht, um diesen im Grunde unglaublich schlechten Menschen ein wenig zur Raison zu bringen, ein wenig Kultur und Zivilisation darüber zu kippen, wenigstens eine dünne Lage, damit er am Ende nicht nur Schlechtes tut, nicht ein Kampf aller gegen alle entsteht.

Im genauen Gegenteil dazu steht die Meinung von Jean-Jacques Rousseau, ein Franzose, der kurz nach ihm gelebt hat und der die grundsätzliche Meinung vertritt, dass der Mensch im Grunde gut ist, dass der Mensch in seinem Urzustand - wie er das nennt - über die Steinzeit wussten die damals noch nicht ganz so viel, allgemein nennt er das Urzeit - dass der Mensch gut war, dass der Mensch von dem Herzen, von seinem Grund, von seiner Natur gut und positiv ist.

Dass er frei ist, dass er sich hilft, sich unterstützt gegenseitig. Dass der Mensch mit allem, was er tut, von Grund auf gut ist. Und er ist der Meinung, dass erst später durch Dinge wie das Einzäunen von Land und Ähnliches - er hat da so einen schönen Spruch, wo die Pfähle in die Erde geschlagen werden und er das so als den ersten Punkt sieht, wo man sich vom Naturzustand, vom grundsätzlich Guten entfernt.

Wie ist das denn bei dir? Was ist denn deine Meinung, wenn du jetzt mal ganz spontan in dich reinhörst, dass deiner Meinung nach der Mensch von Grund auf gut oder ist er von Grund auf schlecht und muss zivilisiert werden?

Ich muss dazu sagen, dass Jean-Jacques Rousseau natürlich noch nichts von irgendwelchen Besitzanspruchsdenken und Geschichten, die später politisch und philosophisch kamen, wusste. Als er über Privateigentum sprach, war das noch nicht das, was 100 Jahre später darüber erzählt wurde.

Aber nichtsdestotrotz, wenn man davon ausgeht, dass der Mensch von Grund auf gut ist, dann sind die Ideen, wie man mit Problemen umgeht, ganz andere, als wenn der Mensch von Grund auf schlecht ist.

Aber wie beantworten wir jetzt die Frage? In den letzten, vor allem letzten 100 Jahren, wurde sie häufig so beantwortet, dass der Mensch schlecht ist. Man eine starke, harte Hand braucht, Gefängnissysteme und in Schulen müssen die Kinder gebändigt werden. Und an ganz vielen anderen Stellen wurde das Menschenbild eines schlechten Menschen vorausgesetzt. Und Institutionen und sowas wie Schulen und Gefängnisse auf diese Art und Weise eingerichtet, um diesem Menschenbild zu entsprechen, um den Menschen mit einer harten Hand wieder gut zu trimmen.

Wenn wir aber jetzt ein Menschenbild hätten, was von Grund auf gut ist, wie gesagt, dann müssten wir eigentlich an die Sache anders herangehen. Wie beantworten wir uns das jetzt? Und zum Glück gibt es da jemanden, der uns diese Arbeit abgenommen hat. Das ist ein ganz wundervoller niederländischer Autor und sein Buch heißt „Im Grunde Gut".

Das gibt es nicht nur auf Niederländisch, sondern auch auf Deutsch und ist hier in Deutschland, ich glaube, beim Rowohlt Verlag rausgegeben worden. Und es gibt sogar als Hörbuch, wer wie ich lieber Hörbuch hört als zu lesen, der kann sich das auch als Hörbuch anhören.

Dieses Buch geht ganz systematisch der Frage nach, ob der Mensch im Grunde gut ist oder ob er im Grunde schlecht ist. Er geht all die Beweise entlang, die im Allgemeinen dazu dienen zu sagen, der Mensch ist im Grunde schlecht. Eines davon ist zum Beispiel das Stanford Prison Experiment und er belegt in sehr vielen gut recherchierten Details, warum viele Annahmen der Menschen, die behaupten, der Mensch ist im Grunde schlecht, so nicht haltbar sind.

Der Autor ist, genau wie ich, der festen Überzeugung, dass der Mensch im Grunde seines Herzens gut ist.

Und wie gesagt, das hat natürlich viele Implikationen, wie wir mit Menschen umgehen, und ich kann gut verstehen, wenn du anderer Meinung bist, vielleicht auch, weil du im Leben einfach Dinge erlebt hast, die wirklich sehr, sehr unschön waren, die für dich wirklich schlimm waren. Dass du Enttäuschungen erlebt hast, dass du Verrat erlebt hast, dass du Mobbing erlebt hast. Und ich kann aus ganz ehrlichem Herzen sagen, ich habe das auch erlebt. Ich wurde in der Schule jahrelang gemobbt und habe da ganz, ganz schlimme Zeiten erlebt. Aber trotzdem hatte ich immer - da kommt Paolo vorbei - im tiefsten Herzen das Gefühl, dass die Menschen gut sind.

Und dass irgendetwas auch diesen Menschen passiert ist, dass sie sich so verhalten, wie sie es tun.

Und die Frage ist dann natürlich wiederum, was ist die Konsequenz? Was ist die Konsequenz für unser eigenes persönliches Handeln? Denn das ist das, was wir im Griff haben, sozusagen. Das, was wir selber bestimmen können, wie wir selber handeln. Und was ist meine Konsequenz zum Beispiel?

Dass ich versuche, Menschen immer freundlich zu begegnen. Dass ich immer davon ausgehe, dass die Menschen nicht nur im Grunde gut, sondern auch im Grunde gesund sind. Als Therapeutin ist das natürlich eine unglaublich wichtige Sache und eine ganz grundlegende Annahme. In jedem Menschen steckt ein guter Kern. In jedem Menschen steckt eine unkaputtbare Gesundheit, die da ist.

Und so gehe ich auf Menschen zu. Das ist auch einer der Gründe, warum ich hier den Podcast mache, statt irgendwelche Sachen damit zu verkaufen. Weil ich glaube, dass wenn wir alle im Grunde gut sind, wir alle füreinander da sind und jedem Menschen, den ich mit diesem Podcast auch nur ein kleines bisschen inspirieren kann - und ich hoffe, dass ich dich inspiriere, jetzt drüber nachzudenken, ob der Mensch im Grunde gut ist oder im Grunde schlecht ist und was das für dich eigentlich, für dein Leben, für die Art und Weise, wie du mit Menschen umgehst, bedeutet.

Wie gehst du an Menschen heran? Denkst du erst mal, dass sie gut sind? Oder hast du erst mal Angst vor ihnen oder Zweifel oder denkst, dass sie dich doch nur betrügen oder hintergehen?

Was die Gründe dafür sind, dass wir vielleicht so denken, dass du vielleicht, dass ich vielleicht auch manchmal so denke und an meinen tiefsten Überzeugungen zweifle, wenn ich was Schlimmes erlebe, das erzähle ich dir dann andermal. Das hat weniger mit Philosophie zu tun, als mehr mit Psychologie.

Aber mein gutes Menschenbild lasse ich mir auch von schlechten Erlebnissen nicht nehmen. Da lasse ich mir auch nicht davon nehmen, dass ich manchmal grumpy bin und vielleicht auch Leuten nicht das schönste Erlebnis biete. Das ist tatsächlich so. Jeder Mensch hat mal bessere und schlechtere Tage. Aber das ändert nichts daran, ob der Mensch von Natur aus und im Grunde seines tiefsten Herzens gut, frei und gesund ist.

Ich kann dir nur meine eigene Meinung mitgeben und ich kann dir ans Herz legen, dieses Buch zu lesen und dich selber überraschen zu lassen, was es alles zu entdecken gibt auf dem Weg der Frage, ob der Mensch im Grunde gut ist.

Ich wünsche dir noch einen wundervollen Sonntag. Und die Frage des Tages ist natürlich, wie wendet sich dein Bild, dein Menschenbild auf dein Leben an? Was tut es - ich habe es vorhin schon angesprochen - was tut dein Menschenbild mit dir und deinem Leben? Die ist jetzt sehr philosophisch, die Frage, aber es ist auch unser philosophischer Sonntag. Insofern mach's gut und ich freue mich, wenn du morgen wieder mit dabei bist.

Na, das ist pünktlich - jetzt gehen die Glocken los. Tschüss!

Literatur:

Bregman, R. (2021). Im Grunde gut: Eine neue Geschichte der Menschheit. Rowohlt.

Van Schaik, C., & Michel, K. (2023). Mensch sein: Von der Evolution für die Zukunft lernen. Rowohlt.

Van Schaik, C., & Michel, K. (2016). Die Evolution der Gewalt: Warum wir Frieden wollen, aber Kriege führen. Eine Menschheitsgeschichte. S. Fischer.

Disclaimer:

Dieser Podcast ist ein virtueller Spaziergang und dient ausschließlich der Information und Inspiration. Die Inhalte stellen keine Psychotherapie, kein Coaching und keine professionelle Beratung dar und ersetzen diese auch nicht.

Alle hier formulierten Aussagen sind wissenschaftlich recherchiert. Die entsprechenden Referenzen und Quellen findest du im Anhang der Show Notes zu dieser Folge.

Ich übernehme keine Verantwortung für die Richtigkeit der wissenschaftlichen Aussagen oder deren Anwendung. Die Inhalte dieses Podcasts sind nicht als Anleitung zu verstehen, etwas Bestimmtes zu tun, sondern dienen rein der Inspiration und Anregung zum Nachdenken.

Bei gesundheitlichen oder psychischen Problemen wende dich bitte an entsprechende Fachkräfte oder Beratungsstellen.

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