Teile. Warum dir dein Clown nur helfen will.
Shownotes
Spaziergang 28: Teile. Warum dir dein Clown nur helfen will.
Hallo und herzlich willkommen zu unserem gemeinsamen Spaziergang heute. Ich freue mich, dass du dabei bist und es wird ein ganz besonderes Thema, denn im Grunde ist es wieder unglaublich spontan. Ich wollte dir nämlich eigentlich erst in ein paar Wochen davon erzählen. Aber ich glaube, dass es der richtige Tag ist.
Es geht dabei um eine psychotherapeutische Grundidee, die in Amerika sehr gut untersucht ist, wissenschaftlich untersucht ist und sich aus dem Bereich der Familientherapie entwickelt hat. Das Ganze gibt es schon seit mittlerweile, glaube ich, über 30 Jahren und das heißt das System der inneren Familie.
Das hat Richard Schwartz entwickelt und wie gesagt auch schon sehr gut untersucht. Es wird viel angewendet auch hier in Deutschland mittlerweile und ich finde es unglaublich einleuchtend. Mir selber hilft es unglaublich viel, insbesondere darin zu verstehen, warum Menschen so handeln wie sie es tun und das möchte ich dir nicht vorenthalten.
Warum besorgen sich zum Beispiel Menschen, die nicht gut hören, kein Hörgerät? Warum gehen Leute spät ins Bett, obwohl sie wissen, dass sie am nächsten Tag unausgeschlafen und grumpy sind? Warum essen Leute spät, obwohl sie wissen, dass es ihnen vielleicht gar nicht so ganz gut tut? Das sind nur ein paar Beispiele aus den letzten Episoden.
Und am Ende kommt es auf eine ganz simple Logik hinaus. In dem System der inneren Familie geht man davon aus, dass jeder Mensch viele Teile in sich hat. Und diese Teile haben, wie kleine Menschen oder überhaupt wie Menschen ihre eigenen Charaktere. Jeder dieser Teile ist gut. Du kannst es auch Anteile nennen, wenn es dir lieber ist. Schon Freud hat von Anteilen, unseren Persönlichkeitsteilen gesprochen. Diese Idee ist weder klassisch amerikanisch noch allzu jung.
Richard Schwartz in seinem System der inneren Familie hat das sehr gut dargelegt, finde ich. Es gibt Teile und diese Teile wollen alle Gutes für uns. Die sind Teil von uns und das ist ganz wichtig. Jeder hat sie, davon geht dieses System der inneren Familie aus. Und sie wollen dich immer unterstützen.
Nur dass manche Teile irgendwann während deines Lebens, durch etwas, was du selber erlebt hast oder etwas, was deine Eltern dir weitergegeben haben, vielleicht die Gesellschaft dir mitgegeben hat, etwas erlebt haben, was für sie in dem Moment nicht verarbeitbar war. Stell dir vor, du wirst als Kind von deinem Bruder zu seinem Spaß in eine Kiste eingesperrt. Der Bruder findet das vielleicht lustig, du in der Kiste aber nicht.
Und vielleicht bleibt das für dich ein schwieriges Erlebnis, das du in dem Moment nicht verarbeiten kannst, wenn du vier bist und dein Bruder sechs ist. Natürlich wirst du im besten Falle schnell von ihm wieder rausgeholt, aber vielleicht bleibt dieses Erlebnis bei dir und dann ist eines deiner Teile zu diesem Zeitpunkt so lieb, dass es dieses Erlebnis, das du in dem Moment nicht genug verarbeiten kannst, auf sich nimmt. Wie einen kleinen Rucksack.
Das ist die Idee beim System der inneren Familie. Da ist ein Teil, das so lieb ist, dass es diese Bürde für dich trägt. Nur wenn du jetzt in eine Situation kommst, die in irgendeiner Form der ähnlich ist, dann meldet sich das Teil. Denn es will nicht nochmal in die Situation kommen. Eine Bürde dieser Art reicht ihm.
Aber das macht natürlich ein ungutes Gefühl. Vielleicht hast du das schon mal erlebt, wenn du in einer Situation warst, wo du sehr, sehr viele Emotionen dann erlebt hast und vielleicht gar nicht genau wusstest, warum in dem Moment. Vielleicht war das so ein Teil, der eine Bürde auf sich genommen hat und sich dann gemeldet hat.
Das System der inneren Familie geht darüber hinaus davon aus, dass es andere Teile gibt, die dir auch helfen wollen, die dich beschützen wollen, damit du eben nicht diese Emotion, die durch diese Bürde ausgelöst wird, wieder erlebst. Das können Teile sein, die dein Leben für dich regeln, damit du gar nicht in die Situation kommst, die nennt man dann Manager. Da gibt es verschiedenste Ausprägungen.
Und auch wenn die Teile uns nur helfen wollen, heißt das noch lange nicht, dass sie uns nicht auch in Situationen bringen können, die vielleicht nicht die bestmöglichen sind. Das kann zum Beispiel sein, dass du einen Manager hast, der dafür sorgt, dass du jeden Tag immer früh aufstehen musst und dich nicht erholen darfst. Weil wenn du dich erholst, dann vielleicht hat er Angst, du könntest in eine Situation kommen, die deine Bürde, deinen verstoßenen kleinen Teil mit der Bürde wieder aktiviert. Das sind nur Beispiele.
Und auf der anderen Seite gibt es andere Helfer, die man Feuerbekämpfer nennt. Stell dir vor, dieser kleine junge Teil mit seinem Rucksack mit der Bürde. Der kommt doch ein bisschen hervor. Aber damit in dem Moment du nicht überwältigt wirst von diesem Problem, kommt ein anderer Teil und springt dir zu Hilfe und tut etwas, damit du jetzt in dem Moment nicht überwältigt wirst. Auch der will dir nur helfen. Aber diese Feuerbekämpfer können ganz schön drastische Sachen machen.
Das kann von "ich mache mal einen Witz und bin der Klassenclown, damit alle abgelenkt sind und wir nicht mehr darüber nachdenken, was mich da jetzt gerade Richtung meine Bürde bringt". Oder das kann der Feuerbekämpfer sein, der zur Flasche Wein greift, um nicht weiter dieses Gefühl zu haben, was da brodelt. Das kann ein Feuerbekämpfer sein, der dich plötzlich joggen gehen lässt. Rennen, Rennen, Rennen, ganz hart rennen, wo es gibt. Gottchen, das sind alles nur Beispiele. Aber du siehst, die Feuerbekämpfer, die greifen ein, wenn dieses unangenehme Gefühl nach oben kommt.
Und es gibt die Manager, die versuchen dafür zu sorgen, dass das unangenehme Gefühl gar nicht nach oben kommt.
Und was jetzt noch tragischer ist, denn alle diese Teile wollen dir helfen, dass sie sich auch gegenseitig bekämpfen können. Der Manager hat vielleicht ein großes Problem damit, was der Feuerbekämpfer in dem Moment macht. Stell dir einen Manager vor, der tatsächlich sehr ordentlich und punktgenau ist und einen Feuerbekämpfer, der dann das genaue Gegenteil macht. Die beiden können sich nicht ausstehen, sobald der eine versucht, das zu verhindern, was der andere macht und umgekehrt. Aber alle wollen nur dein Bestes.
Vielleicht kannst du dir vorstellen, warum Menschen daher überpünktlich sind und sauer sind, wenn mal was zu spät anfängt, weil ihr Manager das ganz, ganz wichtig findet. Oder dass es verbannte Teile gibt, die unglaublich sehnsüchtig danach sind, gesehen zu werden, weil sie in der Vergangenheit nicht gesehen wurden und die zu Meetings einladen, um gesehen zu werden, vielleicht von möglichst vielen Leuten gesehen zu werden, die vielleicht besonders viel reden. Da sitzt einer und der redet die ganze Zeit. Aber vielleicht will er nur gehört werden.
Und so gibt es unglaublich viele Beispiele, warum Menschen Dinge tun. Wir werden zum Beispiel nächste Woche irgendwann über das Thema Alkohol sprechen und wie sich das ausfällt auf Meetings, aber überhaupt auf Teams, auf Menschen auswirkt. Denn auch das ist ein biologischer Grund. Aber ich finde diese Folge so wichtig, dass ich dann auch mit dir darüber reden kann, wie das vielleicht kommt. Und du im besten Falle mit Mitgefühl darüber nachdenken kannst.
Das ist der Punkt, der mir wichtig ist. Dass ich dir in den Situationen, wo wir über Gründe sprechen, warum jemand im letzten Moment zum Meeting einlädt, warum jemand durch seine Sprüche oder ob das jetzt Negative sind oder ob das einfach Quatsch machen ist, eine Teamarbeit torpediert, warum jemand dem anderen vielleicht gar nicht zuhört. Ich möchte gern mit Mitgefühl mit dir zusammen auf diese Situation schauen können.
Und das kann ich dann, wenn ich über die Teile mit dir sprechen kann, die da vielleicht im Hintergrund sind. Und vielleicht entwickelt es auch in dir ein Mitgefühl und eine Neugierde für diese Teile, die da gerade am Werk sind. Denn egal wie unangenehm entweder dir dein Verhalten oder das deiner Kollegen gerade ist, wie unproduktiv, wie unkonstruktiv das ist, was gerade passiert. Wenn du möchtest, darfst du mir eine Sache glauben, nämlich, dass all das, was passiert, durch Teile passiert und dass alle Teile es immer gut meinen, auch wenn das Ergebnis unkonstruktiv oder unproduktiv ist.
Das Schöne ist, es gibt auch etwas in dir, das kein Teil ist. Davon ist das System der inneren Familie überzeugt. Und sie nennt das das Selbst. Das Selbst ist völlig unkaputtbar. Und das Selbst ist immer da. Und ich finde das unglaublich beruhigend. Auch wenn ich mein Selbst spüre, das in mir ist. Und auch du kannst dein Selbst spüren oder lernen zu spüren, deinem Selbst vertrauen.
Und dieses Selbst ist geprägt von Ruhe, von Neugier, von Mitgefühl, von Verbindung, Verbindung mit sich, mit seinen eigenen Teilen, aber auch mit den Menschen um uns herum und noch von vielen anderen wunderschönen Werten, von Klarheit zum Beispiel. Es ist geprägt von dem, was wir in unserem Innersten als Menschen sind und egal wie du dich gerade fühlst, es ist da. Dein Selbst ist da und dein Selbst kann dir immer helfen.
So, das war jetzt eine sehr pathetische Folge. Aber nichtsdestotrotz gebe ich dir natürlich in den Shownotes Empfehlungen für die Bücher von Richard Schwartz, in denen es um das System der inneren Familie geht. Das ist alles auch auf Deutsch übersetzt. Und wie gesagt, das ist kein esoterisches Zeug. Das ist eine psychotherapeutische Denkrichtung und genauso wie keine Denkrichtung immer komplett richtig ist, ist das aber doch etwas, was mir sehr, sehr geholfen hat, sowohl mit mir selber, mit meinen eigenen Themen umzugehen, als auch mein Mitgefühl den Menschen gegenüber zu stärken und weiterzuentwickeln und auf eine andere Weise zu handeln, als ich es vielleicht noch vor einem Jahr getan habe.
Genau deshalb möchte ich dir das einfach nicht vorenthalten. Die Frage… ich glaube, es gibt einfach keine Frage heute. Es gibt keine Frage. Ich kann dich nur dazu inspirieren, dir mehr über das Thema IFS, Internal Family Systems Therapy auf Englisch oder das System der inneren Familie durchzulesen, wenn du möchtest. Es wird hier immer mal wieder darum gehen und ich hoffe, dass es dein Leben genauso bereichert wie es meines tut.
Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag. Mach's gut.
Literatur:
Schwartz, R. C., & IFS-Europe e. V. (2024). Das System der inneren Familie: Einführung in die IFS-Therapie – Ein Weg zu mehr Selbstführung (Erweiterte Neuausgabe). Kösel-Verlag.
Disclaimer:
Dieser Podcast ist ein virtueller Spaziergang und dient ausschließlich der Information und Inspiration. Die Inhalte stellen keine Psychotherapie, kein Coaching und keine professionelle Beratung dar und ersetzen diese auch nicht.
Alle hier formulierten Aussagen sind wissenschaftlich recherchiert. Die entsprechenden Referenzen und Quellen findest du im Anhang der Show Notes zu dieser Folge.
Ich übernehme keine Verantwortung für die Richtigkeit der wissenschaftlichen Aussagen oder deren Anwendung. Die Inhalte dieses Podcasts sind nicht als Anleitung zu verstehen, etwas Bestimmtes zu tun, sondern dienen rein der Inspiration und Anregung zum Nachdenken.
Bei gesundheitlichen oder psychischen Problemen wende dich bitte an entsprechende Fachkräfte oder Beratungsstellen.
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