Alkohol. Zerstört Menschen und Meetings?

Shownotes

Spaziergang 31: Alkohol. Zerstört Menschen und Meetings?

Hallo und herzlich willkommen zu unserem Spaziergang hier im Westerwald. Schön, dass du wieder dabei bist. Gestern wurde ich von meiner Tochter vertreten. Sie hat dir mal Happy Panda vorgestellt - ein Programm, das sie in der Schule gelernt hat. Dabei geht es um Achtsamkeitsübungen für Kinder, und ich finde, dass die so schön gemacht sind, dass die für Erwachsene auch toll sind. Daher habe ich mich ganz besonders gefreut, dass sie die gestern mit dir mal gemacht hat.

Ja, wenn du Lust hast, schreib mir doch mal, wie du die Folge gestern - die Nummer 30 - fandest, dann gebe ich das an meine Tochter durch. Sie würde sich nämlich sehr freuen zu hören, ob du Happy Panda gut fandest.

So, aber jetzt geht es um ein anderes Thema - ein etwas weniger happy Thema. Es ist ein sehr ehrliches Thema und ich habe mir lange überlegt, ob ich das Thema aufgreifen soll. Aber dieser Podcast soll ja nicht nur mir Spaß machen und uns zum Spazieren bewegen, sondern es soll ja auch ein ehrlicher Podcast sein.

Ich finde dieses Thema wichtig und deshalb rede ich darüber. Es geht wieder um unsere Meetings und generell um Arbeit, Teamarbeit, Zusammenarbeit. Es gibt da noch einen biologischen Grund, den ich nicht weglassen möchte, und das ist der Alkohol.

Tatsächlich gibt es ja genug Leute, die Alkohol trinken. Du merkst, ich tue mir irgendwie schwer mit der Folge und ich frage mich die ganze Zeit, warum. Ich trinke selber extrem wenig Alkohol - vielleicht ist es deshalb so komisch für mich, darüber zu reden. Ich habe mich da weit eingelesen und war überrascht und erschreckt, um ehrlich zu sein.

Wie ist das? Es gibt so ein paar ganz klassische Sachen. Der Hangover zum Beispiel. Man war am Abend auf einer Party - kennt bestimmt jeder, kenne ich aus meiner Jugend auch noch - und am nächsten Tag ist man so richtig geschrottet. Kopfweh, Konzentrationsprobleme, mega grumpy, und Kommunikation funktioniert nicht mehr so gut. Denkvermögen und Erinnerung und überhaupt die gesamte Denkleistung ist komplett eingeschränkt, und unsere Fähigkeit, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten, dadurch auch sehr.

Ich glaube, das ist jedem klar. Einfach unschön, wenn jemand sein Hangover mit ins Meeting bringt.

Das nächste ist schon etwas diffiziler und das hat damit zu tun, dass Alkohol selbst in kleineren Mengen - schon ein Glas Wein am Abend - dafür sorgt, dass sich der Schlaf verändert. Und ich habe ja mal über das Schlafbuch von Matthew Walker gesprochen, da wird das auch sehr schön erklärt. Ich packe es dir auch heute wieder in die Show Notes.

Schon kleine Mengen Alkohol sorgen dafür, dass der Schlaf verändert, anders ist - sage ich mal ganz grob - und die Erholung dadurch auch weniger ist. Dadurch ist man am nächsten Tag ein bisschen müder, ein bisschen unausgeschlafener, und das führt zu den klassischen - wie ich ja schon häufiger gesagt habe - Symptomen von Unausgeschlafenheit. Ich sage mal halb wie Kater.

Man ist auch unausgeglichener, Kommunikation ist ein bisschen schwieriger, man ist emotionaler. Falls nötig, ist die Konzentration schlechter und so weiter. Aber das setzt natürlich auch eine Spirale in Gang. In dem Moment, dass ich dann morgens wieder müde bin und vielleicht auch tagsüber müde bin und versuche, mich vielleicht auch mit Kaffee oder ähnlichem hochzuhalten, und abends dann denke: "Oh, jetzt muss ich aber echt gut schlafen", dann nehme ich noch mal ein Gläschen, damit ich auch wirklich gut schlafe - weil schneller einschlafen tun ja einige Menschen dann tatsächlich. Aber dann ist der Schlaf wieder gestört, und so kann sich das halt immer weiter drehen. Und das ist auch wirklich für unsere Konstruktivität, unsere Produktivität, alles andere als förderlich.

Und dann kommt der Teil, der ich schwierig fand, als ich die Zahl gelesen habe - sage ich ganz ehrlich. Es war schwierig zu glauben und auch irgendwie schwierig für mich, damit umzugehen. Ich habe ja viele, viele Jahre im Business gearbeitet, hatte sehr viele Kollegen. Und jetzt steht da diese Zahl im Raum, die sagt: 10 Prozent der Leute im Management, im IT, im generellen Business-Bereich haben eine Alkoholkrankheit.

Ja, dachte ich mir, von all den Kollegen, die ich hatte, sind ja dann auch bestimmt einige dabei gewesen - einige, von denen ich das auch vielleicht gar nicht so gemerkt habe. Die meisten Fälle kommen im Außendienst vor, aber auch im IT-Bereich selber - vom allgemeinen Business ist der IT-Bereich anscheinend besonders hoch betroffen, und alles, was Richtung Führungsebene geht, hat eine größere Chance. Und diese 10% sind tatsächlich doppelt so viel wie der deutsche Durchschnitt. Das darf man sich einfach mal sacken lassen.

Aber was passiert dann eigentlich? Es ist ja nicht einfach so, dass die Leute das gerne machen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand freiwillig alkoholkrank ist. Ich meine, am Anfang merkt man es nicht so - da kommt dieser typische Spruch "Sektchen am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen" und so weiter und so fort. Und dann irgendwann gewöhnt der Körper sich da dran, gewöhnt der Geist sich da dran. Aber ich glaube nicht, dass es jemals freiwillig ist oder dass die Leute das wollen.

Ich habe ja vor einigen Tagen über das System der inneren Familie gesprochen. Und ich habe es ganz bewusst gemacht, unter anderem weil mir das für diese Folge so am Herzen liegt. Wenn du möchtest, hör dir die Folge mit dem Titel "Teile" nochmal an. Dann wird es vielleicht für dich deutlicher, was ich jetzt gleich erkläre. Aber ich versuche es so einfach wie möglich zu halten.

In dem Moment, dass wir Emotionen haben, die für uns unangenehm sind - woher auch immer die kommen - dann reagiert unser System, und es gibt Teile in uns. Wir nennen sie in dem System der inneren Familie "Feuerbekämpfer" - die machen genau das. Die bekämpfen das Feuer, das die Emotionen gerade in einem auslösen.

Und sie versuchen, diese unangenehmen Emotionen zu unterdrücken. Und das kann halt auch bei dem einen oder anderen dann mit Hilfe von Alkohol geschehen. Das heißt, es kann passieren, dass immer dann, wenn man eine Emotion hat, die unangenehm ist, man zur Flasche greift.

Das hat nur im Laufe der Zeit die Konsequenz - auf der einen Seite biologisch, denn im Körper passieren einige Anpassungen dadurch, und auf der anderen Seite emotional - dass dann plötzlich nicht nur die Feuerbekämpfer sich denken: "Hey, das scheint ja eine Methode zu sein, diese unangenehmen Emotionen zu unterdrücken", sondern auch die Teile, die man "Manager" nennt. Das sind auch Beschützer, genau wie die Feuerbekämpfer. Das sind alles Teile, die es wirklich gut meinen mit dir, aber die eben etwas anwenden - in diesem Fall den Alkohol - der dir schadet. Und nicht nur dir, auch deinen Mitmenschen. Die Produktivität geht davon um bis zu 75 Prozent runter von den Menschen, die davon betroffen sind.

Aber noch viel schlimmer als das, was produktiv passiert, finde ich ist das, was eben im Menschen passiert. Und deshalb ist es so wichtig zu verstehen, dass irgendwann die Teile - die Manager sind, die versuchen zu verhindern, damit man überhaupt jemals in dieses unangenehme Gefühl kommt - dass die dann schon vorsorglich zum Alkohol greifen und das Ganze sich fast schon verselbstständigt.

Das heißt, für mich ist es unglaublich wichtig, dir - wenn du nicht trinkst, aber auch dir, wenn du trinkst, wenn du vielleicht sogar viel trinkst - die Botschaft mitzugeben, dass wir alle auf dieser Welt, du selber und auch alle anderen Menschen, mit Mitgefühl reagieren dürfen und nicht mit irgendwelchen Schuldzuweisungen. Das Trinken von Alkohol, gerade dann, wenn es in größeren Mengen ist, ist schon schlimm genug. Da braucht nicht auch noch irgendwelche Schuld dazuzukommen. Wie gesagt, ich glaube nicht, dass irgendein Mensch das freiwillig tut.

Das heißt aber trotzdem nicht, dass du nichts daran tun kannst. Es gibt ganz tolle Therapeuten - ob das jetzt Leute sind, die im Bereich der internen Familie, Familiensystem arbeiten, oder auch ganz viele andere. Es gibt Psychotherapeuten, es gibt auch psychotherapeutische Heilpraktiker, und ich kann dir nur raten: Such dir Hilfe, wenn du das Gefühl hast, dass du aus irgendeinem Grund den Alkohol brauchst, um deine Emotionen vielleicht zu betäuben oder im Griff zu halten.

Und ich weiß, dass es unglaublich schwer ist, den Schritt zu gehen. Deshalb kann ich dir nur mit aller Liebe und allem Mitgefühl Kraft wünschen und Kraft schicken.

Und solltest du einen Kollegen haben, der betroffen ist, dann… Ich weiß, dass das ganz, ganz, ganz schwer ist, die Menschen darauf anzusprechen. Und falls du es tun möchtest, dann mach es mit sehr, sehr viel Mitgefühl, denn Menschen fühlen sich sehr, sehr schnell angegriffen und falsch verstanden, wenn es um dieses Thema geht. Das ist ein heikles Thema tatsächlich, aber nichtsdestotrotz ein Thema, wo jeder Mensch, der betroffen ist, Hilfe verdient.

Mit diesen geradezu pathetischen Worten beende ich auch meinen Infoteil. Ich denke, dass dir mehr bewusst ist, dass sowohl der Hangover als auch das abendliche Glas Wein nicht gut sind für deine Leistung im Meeting oder die deiner Kollegen und generell in der Teamarbeit. Und auf der anderen Seite hoffe ich, dass ich dich für das Thema Alkoholsucht und Alkoholkrankheit ein bisschen sensibilisiert habe.

Und die Ideen, die aus dem System der inneren Familie kommen, sind natürlich immer nur eine mögliche Interpretation. Mir persönlich hilft es sehr, es aus dem Blickwinkel zu sehen, aber es ist - wie gesagt - nur eine einzige mögliche Interpretation, während es ganz viele gibt, sowohl aus medizinischer als auch aus psychotherapeutischer Sicht.

Genau, das bringt mich zu meiner Frage des Tages, und die ist auch an das Thema verbunden. Und das ist die Frage: Wann hattest du schon mal das Gefühl, ich will jetzt eigentlich Alkohol trinken, hast es dann doch nicht gemacht, und es war gut für dich? Wann war das für dich ein positives Erlebnis, dass du keinen Alkohol getrunken hast? Ob das jetzt im Familienkreis war, ob das auf einer Party war, ob das alleine abends im Büro oder im Wohnzimmer war, oder in welcher Situation auch immer. Wann hast du mal erlebt, dass du dich bewusst entschieden hast, keinen Alkohol zu trinken, und es für dich einen positiven Effekt hatte?

So, damit verabschiede ich mich für heute. Lauf noch ein bisschen hier in der Sonne - es ist ja ganz herrliches Wetter heute. Guck mal, wo Paulchen geblieben ist. Und ja, ich wünsche dir einen wunderschönen Tag. Bis morgen.

Literatur:

Walker, M. (2018). Why we sleep. Penguin Books.

Atzendorf, J., Rauschert, J., Kuntz, B., Rehm, J., & Piontek, D. (2019). Gebrauch von Alkohol, Tabak, illegalen Drogen und Medikamenten. Schätzungen zu Konsum und substanzbezogenen Störungen in Deutschland. Deutsches Ärzteblatt, 116(35-36), 577-584.

Bundesgesundheitsministerium. (n.d.). Alkohol. Abgerufen von https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/a/alkohol.html

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Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (n.d.). Zahlen, Daten, Fakten. Abgerufen von https://www.dhs.de/suechte/alkohol/zahlen-daten-fakten/

Ebrahim, I. O., Shapiro, C. M., & Ebrahim, A. J. (2013). Alcohol and Sleep I: Effects on Normal Sleep. Neurologen und Psychiater im Netz. Abgerufen von https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/ratgeber-archiv/artikel/alkohol-foerdert-durchschlafstoerungen/

Gesundheitsportal der IKK Südwest. (n.d.). Alkohol am Arbeitsplatz. Abgerufen von https://www.ikk-suedwest.de/medizin-gesundheit/alkohol-am-arbeitsplatz/

Myway Betty Ford Klinik. (n.d.). Alkohol am Arbeitsplatz: Risiken, Konsumgründe, Folgen & Behandlung. Abgerufen von https://www.mywaybettyford.de/suchtkompendium/alkohol-am-arbeitsplatz/

Pronova BKK. (n.d.). Corona-Pandemie verstärkt Suchtprobleme im Betrieb. Abgerufen von https://www.springerprofessional.de/gesundheitspraevention/stressmanagement/corona-pandemie-verstaerkt-suchtprobleme-im-betrieb/19532840

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Royal College of Psychiatrists. (n.d.). Wie wirkt sich Alkohol auf das Gehirn aus?. Abgerufen von https://www.rcpsych.ac.uk/mental-health/translations/german/alcohol-mental-health-and-the-brain

Techniker Krankenkasse. (2022). Alkoholabhängigkeit: Schleichende Sucht. Abgerufen von https://www.tk.de/techniker/krankheit-und-behandlungen/erkrankungen/behandlungen-und-medizin/sucht/alkoholabhaengigkeit-schleichende-sucht-2022948

Thoma, R., Monnig, M., Lyse, P., Ruhl, D., Pommy, J., Bogenschutz, M., Tonigan, S. (2011). Adolescent Substance Abuse: The Effects of Alcohol and Marijuana on Neuropsychological Performance. Alcoholism: Clinical and Experimental Research, 35(1), 39-46.

Unternehmer.de. (n.d.). Alkohol während der Arbeitszeit: Betroffene Berufe, Konsequenzen, Lösungen. Abgerufen von https://unternehmer.de/management-people-skills/158573-alkohol-arbeitszeit-berufe-konsequenzen-loesungen-infografik

ZWP Online. (2013). Neue Studie: Zunahme von Alkohol und Doping am Arbeitsplatz. Abgerufen von https://www.zwp-online.info/zwpnews/gemischtes/branchenmeldungen/neue-studie-zunahme-von-alkohol-und-doping-am-arbeitsplatz

Disclaimer:

Dieser Podcast ist ein virtueller Spaziergang und dient ausschließlich der Information und Inspiration. Die Inhalte stellen keine Psychotherapie, kein Coaching und keine professionelle Beratung dar und ersetzen diese auch nicht.

Alle hier formulierten Aussagen sind wissenschaftlich recherchiert. Die entsprechenden Referenzen und Quellen findest du im Anhang der Show Notes zu dieser Folge.

Ich übernehme keine Verantwortung für die Richtigkeit der wissenschaftlichen Aussagen oder deren Anwendung. Die Inhalte dieses Podcasts sind nicht als Anleitung zu verstehen, etwas Bestimmtes zu tun, sondern dienen rein der Inspiration und Anregung zum Nachdenken.

Bei gesundheitlichen oder psychischen Problemen wende dich bitte an entsprechende Fachkräfte oder Beratungsstellen.

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