Cäsar. Was können wir von Rom lernen über Macht?

Shownotes

Spaziergang 33: Cäsar. Was können wir von Rom lernen über Macht?

Hallo und herzlich willkommen zu einer ganz besonderen Ausgabe von Walk and Talk mit Ida! Wir gehen heute nicht im Wald spazieren, sondern wir machen stattdessen eine kleine Zeitreise. Es geht immer noch um das Thema, was Macht mit Menschen macht. Gestern haben wir uns das Ganze psychologisch angeschaut bei einem wunderschönen Spaziergang durch den Westerwald. Heute auf der Zeitreise gucken wir uns mal ein Beispiel aus der Geschichte an.

Denn das Beispiel ist gar nicht so weit weg von unserer heutigen Realität. Ich hoffe, es ist weit weg von der heutigen Realität, aber vielleicht ist es doch nicht so weit weg. Und wenn du genau aufpasst, dann wirst du in der Geschichte die ein oder andere Parallele finden zu unserer heutigen Zeit.

Ich würde sagen, wir starten! Und unsere Zeitreise führt uns direkt nach 500 vor Christus - schon einige Zeit her - ins alte Rom.

Im alten Rom ist man gerade die Könige losgeworden, diese nur noch aus Geschichten bekannten Herrscher, die erst sehr gut und dann immer schlechter über Rom geherrscht haben. Und als sich die Menschen von diesen Herrschern befreit haben, haben sie ein neues System entwickelt. Ein politisches System, in dem man sich sehr bewusst war, was Macht eben mit Menschen machen kann und man ganz klar und eindeutig Alleinherrscher verhindern wollte. Man hat da ein kluges System geschaffen, was im Grunde aus Checks and Balances besteht.

Man hat auf der einen Seite viele verschiedene Gruppen geschaffen, die herrschen. Das ist einmal der Senat, das ist so eine Art politisches Gremium von vielen Politikern, meistens ältere - es waren übrigens auch nur Männer, Frauen hatten da im alten Rom leider wenig zu sagen. Im Senat waren viele alte Männer, die dort geherrscht haben.

Zusätzlich gab es eine Volksversammlung, die zum Beispiel die Magistrate wählen. Diese Magistrate waren für Justiz, für Finanzen und für die Stadtorganisation zuständig. Es gab aber auch Volkstribune und Zensoren und noch ganz vieles anderes. Was besonders interessant ist: Es gab zwei Konsulen. Genau, es gab immer zwei.

Auch hier wieder Checks and Balances. Die Konsulen waren nur auf ein Jahr gewählt und wichtig war, man konnte sich zwar wieder wählen lassen, aber nicht beliebig oft. In der normalen Friedenszeit - und die Römer haben auch zu Friedenszeiten Krieg geführt, da komme ich gleich noch drauf - aber solange das so seinen normalen Rhythmus hatte, waren die Konsulen nur für eine kurze Zeit gewählt, es waren immer zwei und sie hatten ein Vetorecht.

Wenn nicht beide Konsulen von der gleichen Sache überzeugt waren, dann konnten sie sich problemlos gegenseitig stoppen. Haben sie auch durchaus getan.

Dieses wunderbare Check-and-Balances-System, das hat auch einige Jahrhunderte gut funktioniert. Im Grunde so im 2. bis 1. Jahrhundert vor Christus fängt es an, dass das Ganze Probleme macht.

Die Gewalt nimmt zu. Die Probleme nehmen zu und es gibt eine geradezu verhängnisvolle Spirale. Um die gut verstehen zu können, ist es aber wichtig zu verstehen, wie das davor war. In diesen, sagen wir, etwa 300 Jahren vorher war Rom noch sehr klein. Man hatte sehr viele freie Bauern, jeder hatte sein eigenes Land, seinen eigenen Hof. Und das römische Jahr fing im März an.

Nicht im Januar wie heute, sondern im März. Warum? Weil da die Saison, wo du das Korn aufs Feld gebracht hast, anfängt. Das Jahr fängt wieder an mit dem Anfang des Sähens, aber auch mit dem Anfang des Kriegsführens. Ab März war das Wetter wieder schön, da konnte man wieder Krieg führen und die Bauern sind als Bauern-Soldaten in den Krieg gezogen und waren aber normalerweise nur kurz weg.

Man ist nur vielleicht 30 Kilometer in die nächste Stadt gezogen, hat die angegriffen, wenn das Ganze vorbei war, war man wieder auf seinem Feld. Und das ist ein paar hundert Jahre lang gut gegangen. Nicht unbedingt für die umliegenden Städte - die wurden großteils erobert - aber für die Römer, für die ist es gut gegangen und für die Bauern auch.

Mit der Zeit wurde das Gelände, das Gebiet von Rom immer größer. Was aber auch bedeutet: Wenn ich an den Grenzen des Landes Krieg führen will, dann bin ich viel länger unterwegs. Wenn die Bauern länger von ihren Feldern weg sind, können sie die nicht mehr gut bestellen, können nicht mehr gut ernten. Und sehr, sehr viele Bauern sind verarmt, weil sie ihre Höfe nicht bewirtschaften konnten. Weil sie als Bauern-Soldaten in den Kriegszügen waren. Und das hat dazu geführt, dass dann im Endeffekt viele Großgrundbesitzer Land angehäuft haben, sehr reich geworden sind und immer mehr Bauern immer ärmer geworden sind und in die Städte gezogen sind und dort - man nennt das damals Proletariat, kennt man heute auch noch den Ausdruck - die wurden unruhig, die hatten kaum Arbeit, die wussten nicht, wie sie sich verpflegen sollten.

Und dann kam einer in einer wirklich schwierigen Situation, 100 vor Christus. Ich will dich nicht zu lange damit nerven, aber es ist wichtig, das zu verstehen. Es hat sich sehr, sehr viel verändert und der große Umschwung kam, als plötzlich die nicht mehr Bauern-Soldaten waren, sondern sie waren Berufssoldaten. Und als Berufssoldat bist du von deinem Feldherrn abhängig. Du bekommst Sold, du bekommst Ausrüstung und wenn du aus dem Dienst austrittst, bekommst du Land.

Aber erstmal wirst du verpflichtet als Berufssoldat. Nicht mehr als Bauer mit eigenem Land. Du kämpfst nicht mehr für dein Land, für den Staat, in dem du in der Volksversammlung und so weiter bist. Sondern plötzlich bist du deinem General verpflichtet, deinem Feldherrn. Und das macht einen Riesenunterschied.

Und da sind wir dann auch schon sehr schnell bei Cäsar. Stell dir vor, wir haben nicht nur eine politische Situation, in der es plötzlich normal ist, Leute zu ermorden - ganz, ganz viele Situationen, die sich angehäuft haben, die zu viel Gewalt geführt haben, die die Gewalt fast schon normalisiert haben - sondern wir hatten plötzlich Berufssoldaten.

Und jetzt kam Cäsar. Und vielleicht hast du mal De Bello Gallico gelesen, freiwillig oder verpflichtet in der Schule. Ich habe es tatsächlich auch gelesen im Studium damals. In meinem ersten Studium. Ach, das habe ich dir noch gar nicht erzählt. Ich habe politische Wissenschaft studiert und Geschichte. Und vornehmlich alte Geschichte.

Und in dem Zuge habe ich De Bello Gallico lesen müssen. Und ich erinnere mich mit Schrecken daran. Denn es ist auf der einen Seite natürlich die Propaganda Cäsars. Nicht mehr und nicht weniger. Aber es ist mit so wenig Empathie geschrieben, dass man, glaube ich, kein anderes Buch finden kann, das weniger… irgendeine Form von Empathie enthält. Es steht nur da, wie viele man jetzt wieder ermordet hat, wie viele man gefangen genommen hat, wie viele man versklavt hat und so weiter. Es ist eine Aufzählung der Erfolge Cäsars, die aber sehr, sehr unempathisch sind. Und falls du die Folge gestern schon gehört hast, dann weißt du auch, dass der Verlust von Empathie eines der Dinge ist - das vielleicht zentralste überhaupt - was passiert, wenn Menschen an Macht kommen.

Und das ist mir wichtig dabei. Dieses Verständnis, wie anscheinend aus dem, was wir heute lesen können, die Psychologie Cäsars war.

Es gibt noch ein anderes sehr wichtiges Merkmal. Denn wie kam Cäsar überhaupt dazu, durch ganz Gallien zu ziehen? Indem er immer wieder dem Senat und den anderen Machthabern klargemacht hat, wie gefährlich Gallien ist, wie wichtig es ist, diese Flanke zu schützen, und er sich in eine ganz besondere Rolle dafür begeben hat: die Rolle des Imperators.

Gestern haben wir auch darüber gesprochen, dass selbst in der Altsteinzeit es schon Situationen gab, in denen kurze Zeit jemand eine Führungsrolle übernehmen musste, für kurze Zeit, und er wurde dann wieder abgesetzt. Und solange das der Fall ist, funktioniert das Ganze auch. Diese spezielle Rolle gab es auch im alten Rom.

Das war die Rolle des Imperators, die nur dann eingesetzt wurde, wenn es nicht den normalen Krieg gab. Wie gesagt, früher in den Krieg zu ziehen, war jahrhundertelang normal. Das war keine Situation, in der ein Imperator eingesetzt wurde. Aber Cäsar hat es geschafft, mit seiner Propaganda dafür zu sorgen, dass er immer wieder in die Rolle des Imperators kam.

Ich verkürze übrigens die ganze römische Geschichte massiv. Bitte, falls du dich sehr gut mit der römischen Geschichte auskennst - das freut mich sehr. Ich habe sie hier wirklich sehr verkürzt. Denn ich weiß nicht, jeden interessiert römische Geschichte. Und wir wollen heute noch fertig werden mit diesem Podcast.

Das Wichtige ist: Er ist in eine ganz spezielle Rolle reingekommen und hat sich durch seine eigene weitergehende Propaganda auch immer wieder in diese Spezialrolle, in der er alle Macht in sich vereint hat, zurückgebracht.

Cäsar hat spezielle Regeln für sich genutzt. Während er der Meinung war, alle anderen sollen natürlich die Regeln befolgen. Die Imperator-Rolle war noch irgendwo am Rande der Regeln, aber gleich wirst du sehen, dass es noch viel heftiger wird mit dem Überschreiten der Regeln.

Auf diesem Weg hat er ganz Gallien eingenommen, auch Teile von Germanien. Übrigens hier, wo ich im Westerwald wohne, waren die Römer nie. Da bin ich sehr stolz drauf. Ich mag die Römer, aber ich finde es noch cooler, dass ich außerhalb des Limes, der römischen Grenze, hier im Westerwald lebe. Aber gut, soweit dazu.

Cäsar wurde immer machthungriger und hat immer mehr sein Heer hinter sich gebracht. Das Heer war komplett abhängig von ihm. Und als dann der Ruf aus Rom kam und die römische Elite sich das Verhalten Cäsars und die Machtansprüche Cäsars nicht mehr gefallen lassen wollte, hat er sich dagegen entschieden, die Macht abzugeben, was man von ihm verlangt hat.

Man hat von ihm verlangt, nach Rom zurückzukehren und sich der Situation zu stellen, seine Ämter zu verlieren. Cäsar hat sich dagegen entschieden.

Die Sache, wie gesagt, die ich gestern schon besprochen habe: In dem Moment, dass ich Macht habe, gehe ich nicht nur davon aus, dass alle anderen sich an die Regeln halten müssen, sondern ich gehe auch davon aus, dass ich über den Regeln stehe und ich diese Regeln brechen kann.

Genau das hat Cäsar auch gemacht. Cäsar, statt seine Macht abzugeben, ist mit seiner ganzen Armee gegen Rom gezogen. Er hat die letzte Grenze überquert und ist gegen seine eigene Stadt gezogen. Das Resultat war ein Bürgerkrieg, ein sehr blutiger Bürgerkrieg, den Cäsar allerdings gewonnen hat. Was hat Cäsar dann gemacht?

Er hat sich als ultimativen Herrscher eingesetzt, als Imperator auf Lebenszeit. Er hatte nur nicht ganz so viel davon, denn schon sehr, sehr kurze Zeit später wurde Cäsar ermordet.

Jetzt könnte man denken: Wunderbar, der ist weg, alles wird wieder gut. War aber nicht so. Tatsächlich hat stattdessen Cäsar - nach weiteren Kriegen, weiteren Konflikten - sein Ziehsohn Augustus die Macht übernommen.

Er hat einen sehr langen Frieden, den Pax Augustus, hervorgebracht, aber zu einem sehr hohen Preis, denn er war Alleinherrscher. Auch wenn er die ein oder andere alte Verfassungsregel wieder zurückgebracht hat, hat er doch sehr genau darauf geachtet, dass er weiterhin alle Macht bei sich hatte und diese Macht auch dann auf seine Familie oder seine Adoptivsöhne weitergegangen ist und wir die römische Kaiserzeit hatten.

Die geprägt ist als Zeit eines Imperiums.

Checks and Balances - hast du es erkannt? Tatsächlich, und das finde ich so wichtig, deshalb habe ich diese Folge hier überhaupt nur gemacht: Wenn man sich überlegt, was Macht mit den Menschen macht, dann sehen wir natürlich auch in der heutigen Zeit, dass da ganz, ganz viel passiert und dass genau wie sich die römische Republik und ihre Verfassung irgendwann aufgelöst hat, sehr große Parallelen zu unserer heutigen politischen Situation insbesondere in den USA.

Die amerikanische Verfassung hat sich maßgeblich auf die Verfassung der römischen Republik berufen, um mit Checks and Balances das System im Griff zu halten. Sie ging davon aus, dass wenn ich genug Checks and Balances habe, nie jemand in die Alleinherrschaft kommen kann.

Wir werden sehen, wie es weitergeht. Ich will es auch weder be- noch verurteilen - das überlasse ich ganz dir, wie du darüber denkst. Ich sage nur: Es gibt gewisse Parallelen und falls du dich sehr dafür interessierst, dann kann ich dir das Buch von Herfried Münkler empfehlen. Das heißt "Imperien", bespricht unter anderem auch das Römische Reich und Cäsar noch wesentlich detaillierter, als ich das jetzt hier gemacht habe.

Eine fantastische Literatur - dieser Mann kann echt unglaublich gut schreiben. Nix da trockene Politikliteratur, wirklich extrem gut zu lesen und beschäftigt sich sehr, sehr viel mit der Frage, was Macht macht.

Damit bin ich auch am Ende des Wissensteils angekommen. Auch am Ende meiner Zeit - oh mein Gott, ich glaube, so einen langen Podcast hatte ich noch nie, aber ich liebe alte Geschichte. In fast jeglicher Form, auch wenn mein Herz in der Altsteinzeit hängt. Aber die Römer finde ich unglaublich faszinierend. Und die Frage, was Macht mit den Menschen macht, lässt mich einfach nicht los. Wir werden uns das Ganze morgen nochmal philosophisch anschauen, aber dann bitte wieder mit einem schönen Spaziergang.

Und jetzt kommt meine Frage an dich: Wann hast du mal bewusst auf Macht verzichtet, weil es dir klar war, dass das für dich oder für die anderen, über die du Macht hättest, nicht gut wäre? Das kann sein, dass du die Macht erst gar nicht angenommen hast. Es kann aber auch sein, dass du, während du die Macht schon hattest, darauf verzichtet hast.

Und was hat das für dich bedeutet? Was hatte das für Gutes für dich, auf diese Macht zu verzichten?

Damit wünsche ich dir einen wunderschönen Abend. Wir sind wieder zurück im Hier und Jetzt, im Heute, im Westerwald. Und ich freue mich sehr auf den Spaziergang morgen mit dir. Tschüss!

Literatur:

  • Gelzer, M. (1968). Caesar: Politician and Statesman (P. Needham, Trans.). Harvard University Press.

  • Münkler, H. (2005). Imperien. C.H.Beck.

  • Schauer, M. (2016). Der Gallische Krieg. C.H.Beck.

  • O’Bryan, D. M. et al. (2004). Dictator Perpetuus: Julius Caesar--did he have seizures? If so, what was the etiology?. Epilepsy & Behavior, 5(5), 756–764.

  • Lambrecht, A. (Hrsg.). (n.d.). Gaius Suetonius Tranquillus: Leben der Caesaren.

  • Brill. (n.d.). III. Das doppelte Dekadenzproblem demokratischer Imperien. Brill.

Disclaimer:

Dieser Podcast ist ein virtueller Spaziergang und dient ausschließlich der Information und Inspiration. Die Inhalte stellen keine Psychotherapie, kein Coaching und keine professionelle Beratung dar und ersetzen diese auch nicht.

Alle hier formulierten Aussagen sind wissenschaftlich recherchiert. Die entsprechenden Referenzen und Quellen findest du im Anhang der Show Notes zu dieser Folge.

Ich übernehme keine Verantwortung für die Richtigkeit der wissenschaftlichen Aussagen oder deren Anwendung. Die Inhalte dieses Podcasts sind nicht als Anleitung zu verstehen, etwas Bestimmtes zu tun, sondern dienen rein der Inspiration und Anregung zum Nachdenken.

Bei gesundheitlichen oder psychischen Problemen wende dich bitte an entsprechende Fachkräfte oder Beratungsstellen.

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