Nichts tun. Ist nichts tun produktiv?
Shownotes
Hallo und herzlich willkommen bei unserem vierten Spaziergang hier im Westerwald. Schön, dass du wieder dabei bist. Paolo ist auch dabei. Jetzt hat man ihn, glaube ich, gerade gehört. Und ja, heute geht es um ein Thema, das hoffentlich unglaublich entspannend ist für dich. Warum? Weil es die Frage ist: Ob Nichtstun dazu führt, dass du irrsinnig produktiv bist?
Ich mag diese Frage. Ich liege unglaublich gerne in der Hängematte oder stehe unter der Dusche oder was immer noch so Schönes morgens noch mal sich umdrehen und halb weiter schlafen. Und ich habe immer die Idee, dass ich dann unglaublich gute Einfälle habe. Ist dir das auch schon mal aufgefallen bei dir selber?
Was ist so dein Moment, in dem du entspannt bist und unglaublich gute, auch mal so ganz andere Ideen hast? Die Einfälle kommen, wo du denkst, wo kommen die denn jetzt her? Oder hey, warum ist mir das nicht vorher schon eingefallen? Vielleicht im Urlaub, dann wenn man gerade keinen Stift dabei hat. Und das Interessante dabei ist, das geht ganz vielen Leuten so und dass das ganz vielen Leuten so geht, dass sie unglaublich produktiv sind, dann wenn sie sich entspannen.
Und man muss dazu sagen, vor allem dann, wenn du wirklich entspannt bist. Also nicht so: Ich komme aus der harten Arbeit und setze mich jetzt mal fünf Minuten hin. Das ist trotzdem gut zu tun, aber vor allem dann, wenn du wirklich dich mal so 20 Minuten hinsetzt, mal wirklich entspannst. Duschen, warmes Wasser. Badewanne, in der Sonne liegen, irgendwas machst, was wirklich entspannend ist. Dann geht in deinem Kopf nämlich ein anderes Netzwerk in Hauptbetrieb. Echt in mega harte Arbeit. Das nennt man das Default Mode Network. Und das ist erst so seit 20 Jahren erforscht. Am Anfang dachte man, dass das was zu tun hat mit so einer Art Nullzustand, dass da nichts ist im Gehirn, bis man entdeckt hat, dass dieses neurologische Netzwerk ein Teil von dem ist, was wir so in der Psychologie Unterbewusstsein nennen.
Es ist nicht das Unterbewusstsein, aber von der Idee her geht es da ein bisschen hin. Wir haben kreative Gedanken, wir haben Introspektion, wir haben Empathie, wir haben Verarbeitung von früheren Events. Und das alles kann dieses Default-Mode-Network unglaublich gut. Eigentlich ist das ein Netzwerk, das das macht für uns.
Und es springt immer dann an, wenn wir entspannt sind. Auch beim Schlafen, wenn man so eine halbe Stunde Mittagsschlaf macht. Ich werde bestimmt in anderen Podcast-Folgen, auf anderen Spaziergängen mit dir noch viel über das Thema Schlaf reden. Und das ist eines der ganz wichtigen Dinge. Beim Schlaf ist dieses Default-Mode-Netzwerk irrsinnig aktiv.
Das heißt, du brauchst nicht gedanklich aktiv zu sein. Wenn du nämlich da sitzt und dir unglaublich hart überlegst, wie die nächste Präsentation gehen soll, dann ist dieses Netzwerk runtergeregelt. Dann ist ein anderes Netzwerk da, das ist auch gut und richtig, denn dieses andere Netzwerk, dieser Commander im Kopf sozusagen, den braucht man auch.
Aber das Netzwerk, was eigentlich für Kreativität sorgt - also du willst zum Beispiel die kreativste, neueste Folie für die Präsentation machen. Die wird dir wahrscheinlich eher nicht kommen, wenn du davor sitzt und ganz hart nachdenkst. Die kommt dir eher, wenn du dann mal rausgehst und einen Spaziergang machst, so wie wir das jetzt gerade machen.
Wahrscheinlich eher, wenn ich dich dabei nicht vollquatsche und du dann vielleicht über meine Worte nachdenkst. Aber in dem Moment, dass du jetzt nachher noch weiterläufst und es einfach mal so sacken lässt. Einfach mal runterregelst, dir die Bäume anschaust, nach den Vögeln lauschst - nicht nach Paolos Gepiepse hier, sondern diesen schönen Vogelstimmen um dich herum.
Und es dir so richtig gut gehen lässt, dann wirkt dieses Default-Mode-Network in deinem Kopf und arbeitet ganz hart für dich, während du dich entspannst. Das heißt, dann kommen dir kreative Ideen, dann kommen dir ganz neue Zusammenhänge, auf die du vorher nicht gekommen warst. Dann kommen dir Einsichten vielleicht über dich selber oder über deine Mitmenschen.
Dann entwickelt sich Empathie. Dann verarbeitest du das eine oder andere, was am Tag passiert ist. Und das ganz ohne, dass es anstrengend ist für dich. Ist das nicht herrlich? Das heißt, da ist so viel Produktivität, richtig die geile Produktivität, die wir so oft suchen, kommt genau dann, wenn du dich entspannst.
Insofern würde ich sagen, dass du heute die Gegenfrage kriegst. Oh nein, nicht die Gegenfrage. Also gestern ging es ja um Spaß und dann solltest du dir überlegen, wie das ist, wenn du Spaß hast, also wenn du im Grunde schon aktiv bist und woran die Menschen in deiner Umgebung das erkennen. Und heute darfst du das mal andersrum machen.
Woran erkennen die Menschen in deiner Umgebung, dass du entspannt bist, dass du relaxed bist, also wirklich diesen calm state of mind? Woran erkennt man das bei dir? An welchem Gesichtsausdruck, an welcher Art, wie du dich verhältst? Was würden die Leute um dich herum sagen? Woran erkennt man das, dass du entspannt bist?
Und mit diesen Worten kann ich dir nur sagen, ich wünsche dir einen ganz entspannten Tag, einen entspannten weiteren Spaziergang, in dem dieses Netzwerk, dieses wundervolle Default-Mode-Netzwerk in deinem Kopf arbeiten darf. Und ich freue mich, dich morgen auf unserem nächsten Spaziergang wiederzusehen.
Referenzen:
Jebelli, J. (2025). The Brain at Rest: How the Art and Science of Doing Nothing Can Improve Your Life. Dutton/Penguin Publishing Group.
Chou, T., Deckersbach, T., Dougherty, D. D., & Hooley, J. M. (2023). The default mode network and rumination in individuals at risk for depression. Social Cognitive and Affective Neuroscience, 18(1), 1–9.
Menon, V. (2023). 20 years of the default mode network: A review and synthesis. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 153, 105245.
Raichle, M. E., MacLeod, A. M., Snyder, A. Z., Powers, W. J., Gusnard, D. A., & Shulman, G. L. (2001). A default mode of brain function. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 98(2), 676–682.
Shofty, B., Ben-Jacob, E., & Israel, Z. (2024). Default mode network electrophysiological dynamics and causal role in creative thinking. Brain, 147(12), 4053–4068.
Zhu, Y., Zeng, L. L., Cao, X., Huang, J. W., Hu, G. Q., Zhang, Y. W., & Hu, D. W. (2019). Reduced default mode network functional connectivity in patients with major depressive disorder. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 116(16), 7997–8002.
Disclaimer:
Dieser Podcast ist ein virtueller Spaziergang und dient ausschließlich der Information und Inspiration. Die Inhalte stellen keine Psychotherapie, kein Coaching und keine professionelle Beratung dar und ersetzen diese auch nicht.
Alle hier formulierten Aussagen sind wissenschaftlich recherchiert. Die entsprechenden Referenzen und Quellen findest du im Anhang der Show Notes zu dieser Folge.
Ich übernehme keine Verantwortung für die Richtigkeit der wissenschaftlichen Aussagen oder deren Anwendung. Die Inhalte dieses Podcasts sind nicht als Anleitung zu verstehen, etwas Bestimmtes zu tun, sondern dienen rein der Inspiration und Anregung zum Nachdenken.
Bei gesundheitlichen oder psychischen Problemen wende dich bitte an entsprechende Fachkräfte oder Beratungsstellen.
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