Konflikte. Bringen Konflikte uns Menschen voran?
Shownotes
Spaziergang 52: Konflikte. Bringen Konflikte uns Menschen voran?
Hallo und herzlich willkommen bei Walk & Talk mit Ida. Heute mit ganz vielen Blättern bei mir und Pauli. Wir laufen hier gerade zurück zum Ort.
Und ich hatte dir ja versprochen, dass ich dir mal erzähle, was mich in diesem Buch "Possible" von William Ury so geflasht hat, dass ich tatsächlich drei Tage am Nachdenken war und gar keinen Podcast aufnehmen konnte.
Ich bin mittlerweile so weit, dass ich eine Chance habe, dir das zu erklären.
Und im Endeffekt hat es ganz viel mit mir und meiner Einstellung zu Konflikten zu tun. Nämlich, ich war immer der Meinung, dass Konflikte etwas Schlechtes sind. Deshalb habe ich mich auch immer unglaublich engagiert in der Konfliktlösung. Denn wenn wir alle wieder uns verstehen und eine gute Lösung gefunden haben, dann ist alles besser.
So weit, so gut. Dann kommt William Ury daher und sagt: Konflikte sind etwas Gutes. Sie sorgen für Kreativität, sie sorgen für neue Ideen, sie sorgen dafür, dass wir uns weiterentwickeln. Und ich dachte mir so: Wow, wieso sollen Konflikte etwas Gutes haben? Das war wirklich für mich total schwer anzunehmen.
Und er erklärt es auch tatsächlich sogar aus Gründe altsteinzeitlicher Perspektive. Wie gesagt, das hat mich komplett geflasht, sowas in einem Mediationsbuch zu finden.
Und was sagt er da drin? Er sagt, dass es Konflikte immer und überall gibt. Konflikte sind unvermeidlich, denn nicht jeder Mensch ist exakt gleich und nicht jeder Mensch will dasselbe.
Dazu kommt, dass wir auch oft genug Konflikte in uns haben. Ich habe ja schon über die verschiedenen Teile gesprochen, aus dem System der inneren Familie gesprochen. Und auch da kommt es ja sehr oft in die Situation, dass sich Teile untereinander mit Konflikten überziehen. Das heißt, selbst wenn ich nicht einen zweiten Menschen habe, aber natürlich wie jeder Mensch nicht ohne irgendeine Form von Erlebnissen und Traumata aufgewachsen bin, dann gibt es Konflikte in mir.
Gut, dann habe ich noch andere Menschen draußen, mit denen ich mit Sicherheit – ja, da sind irgendwelche Hunde unterwegs. Es ist gerade total viel los hier im Wald. Andere Menschen, mit denen ich in Konflikt geraten kann. Und Konflikt heißt dabei nicht unbedingt Krieg oder Streit. Das kann einfach gerade mal eine andere Idee über etwas sein. Das kann etwas anderes an Bedürfnissen sein oder an dem, was man möchte. Und selbst wenn ich keinen anderen Menschen habe, um eine Meinungsverschiedenheit zu haben, dann habe ich immer noch zum Beispiel einen angreifenden Säbelzahntiger oder nur ein Vulkanausbruch oder irgendetwas anderes, was dafür sorgt, dass ich mich damit auseinandersetzen muss.
Das heißt, einer Art von Konflikt kann ich gar nicht aus dem Weg gehen. Und die Frage ist also nicht, ob wir keine Konflikte haben, sondern nur, wie wir damit umgehen.
Lassen wir sie eskalieren und Kriege werden? Lassen wir sie Streits werden? Leben wir jahrelang in Hass nebeneinander? Reden wir vielleicht nie wieder miteinander, obwohl das mein Kollege ist? Oder ich rede nur mit ihm, wenn es gar nicht anders geht?
Oder sorge ich mit meiner inneren Einstellung und vielleicht auch mit etwas Hilfe von außen dafür, dass der Konflikt sinnvoll gelöst wird? Dass sich also neue Möglichkeiten ergeben, wir über den Tellerrand schauen und schauen, was wir denn wirklich wollen und brauchen. Es ist natürlich beim Konflikt mit einem ausbrechenden Vulkan etwas schwieriger. Da muss ich fliehen, mit dem kann ich so schlicht diskutieren. Aber gerade wenn es unter Menschen ist oder in mir selber, ein Konflikt von verschiedenen Meinungen – vielleicht kennst das mit dem Engelchen und dem Teufelchen oder dem einen und dem anderen Berater, der auf dir auf der Schulter sitzt. Alles sind eine Form von Konflikten.
Und umso bewusster wir damit umgehen, umso mehr wir es schaffen, uns nicht hineinziehen zu lassen, sondern uns das Ganze auch mal von außen anzuschauen, umso mehr wir es schaffen, auf unser Gegenüber zuzugehen ohne selber etwas – vielleicht sogar ohne überhaupt etwas zu verlieren, weil wir feststellen, dass wir zwar denken, dass wir einen Konflikt haben, aber am Ende einfach Interessen haben, die sich vereinen lassen.
Und genau so kommt man dann weiter. Deshalb sagt William Ury, daraus entsteht Kreativität. Es zwingt mich dazu, nachzudenken. Es zwingt mich dazu, über meine eigenen Bedürfnisse und Interessen überhaupt mal nachzudenken. Hätte ich keine Konflikte, müsste ich nie über meine Interessen nachdenken, nie über meine Bedürfnisse nachdenken. Müsste ich nie kreative Lösungen finden, die vielleicht nicht nur mich, sondern uns alle weiterbringen.
Und ja, es hat ganz, ganz viel mit meiner eigenen Vergangenheit zu tun, dass ich da, denke ich, ein Problem mit hatte mit dieser Aussage. Und es hat tatsächlich jetzt fast drei Wochen gedauert, bis ich wirklich meinen Weg dahin gefunden habe.
Aber auch das ist ja eine Konfliktlösung – ein Konflikt in mir zwischen dem Teil, der Konflikte total doof findet und denkt, das ist einfach nur Mist und dürfen gelöst werden, und dem Teil, der jetzt plötzlich gehört hat: Oh, Konflikte sind auch ein Potenzial zur Entwicklung, sind ein Potenzial für kreative Lösungen, sind ein Potenzial dafür, dass es uns allen besser geht am Ende, wenn wir sie denn sinnvoll lösen.
Ja, das zu dem Thema des Buches "Possible" von William Ury, das ich dir immer noch echt von Herzen empfehlen kann, gerade wenn du dich für Themen rund um Mediation und Gesprächsführung interessierst. Aber auch in allen anderen Fällen ist es unglaublich inspirierend. Ich werde dir bestimmt noch öfter mal ein Thema davon mitnehmen, und gerade das Thema Konflikt betrifft uns ja wirklich alle.
Ja, und damit komme ich zur Frage des Tages: Nämlich, wie spürst du, woran merkst du sozusagen, dass du in dir einen Konflikt hast?
Was das genau auf sich hat, werde ich dir bei der nächsten Folge erzählen, warum das so wichtig ist, zu spüren, ob es in einem selber einen Konflikt gibt zwischen verschiedenen Teilen – wie gesagt, der eine Berater auf der linken Schulter, der andere auf der rechten.
Wie ist das bei dir? Wo merkst du das? Krummelt es im Bauch? Oder merkst du wirklich das Gespräch im Kopf zwischen den beiden Teilen? Oder woran merkst du, woran erkennst du, dass in dir gerade ein Konflikt tobt?
Ja, damit verabschiede ich mich, wünsche dir einen wunderschönen Tag und freue mich darauf, morgen wieder mit dir spazieren zu gehen.
Literatur:
Ury, W. (2024). Possible: How we survive (and thrive) in an age of conflict. HarperCollins.
Disclaimer:
Dieser Podcast ist ein virtueller Spaziergang und dient ausschließlich der Information und Inspiration. Die Inhalte stellen keine Psychotherapie, kein Coaching und keine professionelle Beratung dar und ersetzen diese auch nicht.
Alle hier formulierten Aussagen sind wissenschaftlich recherchiert. Die entsprechenden Referenzen und Quellen findest du im Anhang der Show Notes zu dieser Folge.
Ich übernehme keine Verantwortung für die Richtigkeit der wissenschaftlichen Aussagen oder deren Anwendung. Die Inhalte dieses Podcasts sind nicht als Anleitung zu verstehen, etwas Bestimmtes zu tun, sondern dienen rein der Inspiration und Anregung zum Nachdenken.
Bei gesundheitlichen oder psychischen Problemen wende dich bitte an entsprechende Fachkräfte oder Beratungsstellen.
Neuer Kommentar